Dienstag, 28. Januar 2025

Zwerge auf den Schultern von Riesen

Bild: Wikimedia Commons / Japanische Akademie der Wissenschaften - CC BY 4.0

Manchmal kommen die tragischen Entwicklungen schnell und unverhofft. Nur zwei Tage nachdem ich sein bahnbrechendes Paper The New New Product Development Game empfohlen habe ist Ikujirō Nonaka gestorben, einer der grossen Vordenker der Methoden, die wir heute ale Agil bezeichnen würden. Was dadurch in Erinnerung gerufen wird: leider müssen wir uns in den nächsten Jahren auf weitere derartige Trauer-Nachrichten einstellen - und die werden Folgen haben.


Zur Einordnung: grossteils aufbauend auf das oben erwähnte Paper sind die meisten agilen Vorgehensmodelle (Scrum, XP, IT-Kanban, Agile Testing, etc) zwischen den späten 80er und frühen 2000er Jahren entstanden. Da ihre Erfinder bereits damals über einige Jahre oder sogar Jahrzehnte Berufserfahrung verfügten, sind sie mittlerweile in ihren 60ern, 70ern oder 80ern angekommen. Und obwohl sie hoffentlich noch lange leben werden - nicht jeder dürfte 90 werden, so wie Nonaka.


Das ist deshalb von Bedeutung, weil diese Vordenker bisher durch ihre öffentlichen Meinungsäusserungen ein Korrektiv zu den verbreiteten esoterischen oder komerziell getriebenen Fehldeutungen ihrer Arbeit bilden konnten, legitimiert dadurch, dass sie schliesslich selbst am Besten sagen können, was sie mit ihren Ansätzen beabsichtigt haben und was nicht (das bekannteste Beispiel dafür dürfte ihre einhellige Ablehnung des Scaled Agile Framework / SAFe sein).


Mit dem absehbaren Verschwinden dieser Stimmen (das auch bereits durch einen altersbedingten Rückzug aus der Öffentlichkeit geschehen kann) dürfte es in der Zukunft immer weniger mit einer derartigen Autorität ausgestattete Widersprüche gegen absichtliche oder versehentliche Verfremdungen der agilen Ideen und Prinzipien geben. Und noch bedenklicher: kommerzielle Organisationen wie Scrum Alliance, SAFe, Kanban University und PMI werden diese Autorität vermutlich für sich beanspruchen.


Um so wichtiger wird es werden, die von den agilen Pionieren verfassen Originalquellen (von denen es aufgrund der Entstehung der Agilität in den Schatten ohnehin viel zu wenige gibt) in Erinnerung zu behalten und als Massstab für die Bewertung neuer Entwicklungen zu benutzen, von der Forschung Nonakas und Takeuchis über die frühen Vorträge auf den OOPSLA- und Agile-Konferenzen bis zu den Büchern und Artikeln der Verfasser des Manifests für agile Softwareentwicklung.


Die grosse Herausforderung dabei wird es sein, derartig auf den Schultern der Riesen zu stehen, dass deren Absichten gewahrt bleiben, ohne dass es zu einer rückwärtsgewandten Erstarrung der damit verbundenen Methoden kommt. Andererseits - verglichen mit dem, was zwischen den späten 80er und frühen 2000er Jahren geleistet wurde, ist das eine fast schon einfache Aufgabe. Und noch haben wir genug Zeit um uns von den agilen Vordenkern inspirieren zu lassen.

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