Donnerstag, 23. Januar 2025

Ein Hoch auf die Wissenschaft

Wenn man Aussagen sucht, auf die die agile Bewegung sich einigen kann, dann wird man schnell auf die stossen, dass agiles Arbeiten Empirie- und Evidenz-getrieben sein sollte, oder mit anderen Worten: wissenschaftlich. Ernst genommen bedeutet das zum Einen, dass man im Kleinen selbst versuchen sollte, so vorzugehen, zum Anderen aber auch, dass man sich für wissenschaftliche Erkenntnisse interessieren sollte, die das eigene Arbeitsfeld betreffen - und wer danach sucht, findet Einiges.


Ich bin mit der Zeit auf eine ganzen Reihe wissenschaftlicher Papers gestossen und spiele gerade mit dem Gedanken, eine Beitragsreihe zu starten, in der ich jeweils einige von ihnen vorstelle. Ob es wirklich dazu kommt wird sich zeigen, für den Moment habe ich aber zumindest fünf, die mir erwähnenswert erscheinen. Sie gehen quer durch alle möglichen Themen durch und sind natürlich eine subjektive Auswahl, aber eine die ich empfehlen möchte. Hier sind sie:


Hirotaka, Takeucht; Nonaka, Ikujiro: The New New Product Development Game

Eine der Initialzündungen dessen, was wir heute agile Produktentwicklung nennen. Vereinfacht gesagt haben Takeuchi und Nonaka Feldforschung betrieben um herauszufinden, warum manche Firmen effektiver Produkte entwickeln als andere. Ihre Forschungsergebnisse sind zwar schon 40 Jahre alt, haben aber nichts von ihrer Aktualität eingebüsst.


Verwijs, Christiaan; Overeem, Barry: The Double-Edged Sword Of Diversity In Teams

Manchmal tun Erkenntnisse weh. Verwijs und Overeem haben versucht, den in der agilen Bewegung verbreiteten Glaubenssatz zu validieren, dass Diversität in Entwicklungsteams etwas grundsätzlich Gutes ist. Ihre Erkenntnis - ganz so einfach ist es nicht. Zwar gibt es eindeutig positive Effekte, in einigen Dimensionen ist Diversität aber ohne Auswirkungen oder führt sogar zu Nachteilen.


Eilers, Karen; Peters, Christoph; Leimeister, Jan: Why the agile mindset matters

Diese Arbeit ist wirklich verdienstvoll. Zum ersten mal habe ich hier gesehen, wie versucht wird, den umstrittenen Begriff des "Agilen Mindset" neutral und sachlich einzuordnen und zu untersuchen. Ein wohltuender Kontrast zu dem eher esoterischen und zum Teil sogar übergriffigen Umgang, der sonst in der Beschäftigung mit diesem Begriff vorherrschend ist.


Flyvbjerg, Bent; Budzier, Alexander: Why Your IT Project May Be Riskier than You Think

Der bemerkenswerte Forschungsschwerpunkt von Bent Flyvbjerg sind (scheiternde) Grossprojekte. Dass die häufig ausser Kontrolle geraten ist zwar bekannt, er differenziert es aber entscheidend aus. Vereinfacht gesagt: es geht nicht immer schief, aber wenn es schiefgeht, dann richtig. Und: die Gründe dafür sind identifizierbar und es gibt erfolgsversprechende Gegenmassnahmen.


Kühl, Stefan: Das Scharlatanerieproblem – Zwischen Professionsbildung und Professionalisierung

Noch einmal Erkenntnisse, die weh tun. Über die Zeit hat sich Stefan Kühl die Rolle des Hofnarren der (agilen) Berater-Szene erarbeitet, der er ihre Unzulänglichkeiten aus soziologischer Perspektive und mit erkennbarer Freude vorhält. An dieser Stelle mit Fokus auf einem der grossen strukturellen Defizite: dem weitgehenden Fehlen verbindlicher professioneller Standards zur Qualitätssicherung ihrer Arbeit.

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