The Ironies of Automation
Es ist wieder soweit - ein Hoch auf die Wissenschaft! Diesesmal auf eines der in Relation zu ihrem Einfluss viel zu unbekannten Research Papers, The Ironies of Automation, verfasst 1983 von der amerikanischen Psychologin Lisanne Bainbridge. Seine Kernaussage: anders als man denken könnte führt Prozessautomatisierung nicht zwangsläufig zu mehr Effektivität oder Effizienz, stattdessen kann es sein (und das ist die Ironie der Geschichte), dass danach alle genauso stark beschäftigt sind wie davor.
Für dieses Phänomen gibt es Gründe. Zum einen führt eine Automatisierung nachvollziehbarerweise dazu, dass der jeweilige Mensch sich weniger mit seinem eigentlichen Arbeitsgegenstand beschäftigt, da diese Aufgabe ja jetzt von einer Maschine oder einem Computer übernommen wird. Sobald ein Eingreifen dann doch nötig wird (und sei es nur um zu überprüfen ob die automatisierte Arbeit richtig ausgeführt wird), dauert das aufgrund der fehlenden Erfahrung länger und ist fehleranfälliger.
Des Weiteren entstehen durch die Automatisierung neue Aufgaben, die es vorher nicht gab. Die Maschine, bzw. die Computerprogramme müssen betrieben, gewartet, repariert und modernisiert werden, was zum einen arbeitsintensiv ist, zum Anderen im Vergleich zu der früher selbst durchgeführten eigentlichen Arbeit deutlich abstrakter und monotoner, was zu nachlassender Konzentration führt, mit der erneuten Folge, dass die Wahrscheinlichkeit von Fehlern (die dann repariert werden müssen) steigt.
Zuletzt entsteht durch die Notwendigkeit, sowohl den eigentlichen Arbeitsgegenstand als auch die Automatisierungstechnik zu beherrschen, eine hohe kognitive Belastung, die auch hier wieder zur Ursache menschlicher Fehler werden kann. Dabei kann es sogar zu einer "Automatisierungs-Ironie in der Automatisierungs-Ironie" kommen, wenn zur Reduzierung dieser Belastungen konzipierte Automatisierungen durch ständige Ergebnisberichte selbst kognitiv belastend werden.
Einen einfachen Ausweg aus diesem Dilemma bietet Lisanne Bainbridge nicht, stattdessen weist sie darauf hin, dass die Lösung nur daraus bestehen kann, ein einzelfallspezifisches Optimum an Automatisierung zu finden, das jeweils bestimmt wird durch Umfang und Komplexität der Prozesse, Änderungs-Häufigkeit, (In-)Stabilität der Umgebung und des Arbeitsgegenstandes, Auswirkungsgrad möglicher Fehler und Qualifikation des jewils eingesetzten Personals.
Auch hier läuft es damit einmal mehr darauf hinaus, sich in einer unbeständigen Welt durch Inspect & Adapt kontinuierlich neu auszurichten und das für den Moment beste Vorgehen zu finden, das sich aber bereits bald wieder ändern kann. Und selbst wenn Lisanne Bainbridges Ironies of Automation sich ursprünglich auf die Frühzeit der Digitalisierung in den 80er Jahren bezogen hat, sind die Parallelen zur heutigen KI-getriebenen Automatisierung offensichtlich.
PS: eine wichtige Differenzierung - die Ironies of Automation sind klar zu unterscheiden von den oberflächlich ähnlichen Rebound-Effekten. Auch die machen die Effektivitäts- oder Effizienzgewinne von Automatisierungen wieder zu Nichte, die dahinterliegenden Mechanismen sind aber komplett andere. Mehr zu den Rebound-Effekten steht hier.