Montag, 21. Oktober 2024

Loose Coupling

Zu den Begriffen an denen man bei der Beschäftigung mit agilen Zielsetzungs-Systemen (OKRs, Sprint Goals, etc.) früher oder später vorbeikommt, gehört auch das Loose Coupling (ins Deutsche übersetzt die lose Koppelung). Beschrieben wird das meistens damit, dass über- und untergeordnete Ziele und Massnahmen nicht zu fest miteinander verbunden sein sollen (das wäre Tight Coupling, bzw. enge Koppelung) - aber warum will man diese enge Verbindung eigentlich oft nicht?


Zum besseren Verständnis hilft es, sich Zielsetzungssysteme anzusehen, die umgekehrt gestaltet sind, in denen also Tight Coupling stattfindet. Das sieht meistens so aus, dass die untergeordneten Ziele und Massnahmen fest definierte Teilmengen der übergeordnetend sind, was zwei Folgen hat: zum einen müssen sie alle erfüllt werden um das übergeordnete Ziel zu erreichen, zum anderen sind sie so eng miteinander verbunden, dass sie sich gegenseitig beeinflussen.


Wenn das übergeordnete Ziel z.B. die Gründung einer neuen Niederlassung ist, und davon das Mieten eines Gebäudes, die Einrichtung der Arbeitsräume und die Anstellungung von geeignetem Personal abgeleitet werden, dann ist das eine enge Koppelung. Sollte eine einziges dieser Unterziele oder der dazugehörigen Massnahmen scheitern oder sich deutlich verzögern, wäre auch das übergreifende Gesamtziel in gleicher Art davon betroffen.


Drehen wir es um, wie würde hier eine lose Koppelung aussehen? Das übergreifende Ziel könnte z.B. sein, die neue Niederlassung möglichst schnell arbeitsfähig zu bekommen. Abgeleitet davon könnte man die Onboarding-Handbücher verbessern, einen Bonus für bestehende Kollegen ausloben, die sich zeitweise versetzen lassen um die neuen einzuarbeiten, oder temporär mehr Home Office erlauben. Man sieht an diesen Beispielen: wenn sie nicht gelingen sollten, wären die Folgen weit weniger tiefgreifend.


Noch einmal einfacher ist das Loose Coupling in der digitalen Produktentwicklung. Wenn z.B. das Ziel ist, die Zeit die man in einem Genehmigungsportal verbringen muss zu reduzieren, können verschiedene Entwicklungsteams völlig unterschiedliche Ideen einbringen: besseres UX-Design, schnellere Ladezeiten, hilfreiche Chatbots, etc. Alle diese Ideen tragen zum übergeordneten Ziel bei, untrennbar mit ihm verbunden sind sie aber alle nicht, und untereinander auch nicht.


Durch diese Gestaltung wird etwas möglich, was in jeder ernsthaften Bemühung agil zu Arbeiten enthalten sein sollte: autonome, selbstorganisierte Teams. Durch das Vorgeben der übergeordneten Ziels wird sichergestellt, dass sie im Sinn der Gesamtstrategie arbeiten, mit welchen untergeordneten Ziele und Massnahmen sie das machen und auf welche Art und Weise sie diese umsetzen liegt aber bei ihnen (natürlich müssen dafür bestimmte Vorbedingungen erfüllt sein, z.B. Crossfunktionalität).


Es wird aber an dieser Stelle auch offensichtlich, an welcher Stelle Loose Coupling an Grenzen stösst: dort nämlich, wo aus technischen, juristischen oder sonstigen Gründen sehr klare Vorgaben nötig sind, die dann auch genau so erfüllt werden müssen. Andererseits handelt es sich dann bei ehrlicher Betrachtung auch nicht mehr um Zielsetzungs-Systeme sondern um Anleitungs- und Kontrollsysteme. Das wäre aber nochmal ein eigenes Thema für sich.

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