Montag, 14. Oktober 2024

Larman's Law (IV)

Bild: Wikimedia Commons / L.C. Dwyer - CC BY-SA 4.0

Mit der Zeit haben sich viele Menschen Gedanken über die ungeschriebenen Gesetze der Organisationsentwicklung gemacht und versucht sie (auf manchmal seriöse, manchmal aber auch eher zynische Art) auf Papier zu bringen. Besonders produktiv war dabei Craig Larman, der Erfinder von LeSS, der insgesamt fünf Gesetze verfasst hat, die er Larman's Laws of Organizational Behavior genannt hat. Heute soll es hier um das Vierte von ihnen gehen. Es lautet:


If after changing the change some managers and single-specialists are still displaced, they become “coaches/trainers” for the change, frequently reinforcing [the redefinition the new terminology to mean basically the same as status quo] and [the deriding of any other change initiative as needing pragmatic customization for local concerns], and creating the false impression ‘the change has been done’, deluding senior management and future change attempts, after which they become industry consultant.1


Wie bei Larman's anderen Gesetzen muss man sich auch bei diesem durch eine oberste Schicht aus Sarkasmus und Zynismus arbeiten, bevor man zum eigentlichen Kern kommt, der dann aber tatsächlich seine Berechtigung hat. Verkürzt gesagt geht es in dieser Gesetzmässigkeit darum, dass in vielen Gross-Organisationen mittlere Hierarchieebenen dafür belohnt werden, Veränderungsprogramme scheinbar anzunehmen und umzusetzen, sie in Wirklichkeit aber auszuhöhlen und wirkungslos zu machen.


Dazu etwas Kontext: jede grössere Organisation ist von Innen deutlich uneinheitlicher als man von Aussen vermuten würde. Einzelne Standorte, Ressorts, Sparten oder funktionale Einheiten haben jeweils eine eigene Geschichte, eigene Kultur, eigene Ziele und eigene Sachzwänge, wegen denen es extrem schwierig ist, sie übergreifend den gleichen Organisationsprinzipien zu unterwerfen, ohne dabei Ineffizienzen, Fehlanreize oder Widersprüchlichkeiten in Kauf zu nehmen.


Gleichzeitig ist es für die Führungsebene schwierig bis unmöglich, all diese Besonderheiten zu erfassen (und diese Erfassung aktuell zu halten), geschweige denn, im Rahmen von Veränderungsprogrammen für jede von ihnen eine passende Lösung zu erarbeiten und umzusetzen. Um überhaupt handlungsfähig zu sein werden diese Unterschiede daher erstaunlich oft (bewusst oder unbewusst) ignoriert und es wird doch ein übergreifend einheitlicher Ansatz eingeführt, der dann nicht überall passt.


Das mit der Umsetzung der Veränderungen beauftragte Mittelmanagement hat in einer derartigen Situation zwei Optionen: entweder auf die Probleme aufmerksam machen oder offiziell alles mitmachen, den Spielraum der neuen Vorgaben dabei aber soweit wie möglich auszureizen, um möglichst viel beim Alten lassen zu können, um so arbeitsfähig und effizient zu bleiben. Welcher dieser Wege eingeschlagen wird, hängt dabei in der Regel an einer Frage - welcher wird von oben belohnt und welcher bestraft?


Wenn es der zweite ist, der belohnt wird, ist Larman's viertes Gesetz praktisch eingetreten. Belohnung bedeutet in grossen Organisationen nämlich meistens eine Beförderung in eine verantwortungsvollere Position, und für jemanden der Veränderungen (von aussen gesehen) erfolgreich umgesetzt hat, ist eine Beförderung in eine Position im Veränderungsmanagement naheliegend. Und da auch dort die gleichen Dinge belohnt und bestraft werden, finden auch dort die gleichen Verhaltensmuster statt.


Wie es besser ginge ergibt sich aus dieser Beschreibung fast von selbst: es müssen andere Dinge belohnt werden, wie z.B. das Aufdecken von Fehlannahmen, Übervereinfachungen und Fehlplanungen, das Aufzeigen von Konsequenzen, der Verzicht auf Beschönigungen und Scheinerfolge und die Bereitschaft, höheren Hierarchieebenen zu widersprechen. Dort wo das passiert ist die Wahrscheinlichkeit, von Larman's viertem Gesetz betroffen zu sein, deutlich geringer.


Nachtrag:

Ja, ich weiss. Ich bin nicht auf die "Industry Consultants" eingegangen. Hätte an dieser Stelle zu weit geführt. Kommt noch. Vielleicht.



1Im Original bezieht sich dieses Gesetz mit numerischen Verweisen auf die beiden davorstehenden. Um ohne diesen Verweis verständlich zu sein sind diese beiden Gesetze  an den entsprechenden Stellen in eckigen Klammern eingefügt.

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