Montag, 23. September 2024

Wie ein einziger Manager eine Firmenkultur herunterwirtschaften kann

Bild: Pixabay / The Digital Artist - Lizenz

Eine der grossen Gemeinheiten beim Thema Firmenkultur ist es, dass man sie nur sehr schwer und langsam zum Besseren verändern kann, aber erstaunlich schnell zum Schlechteren. Und während eine Verbesserung immer nur durch eine Gemeinschaftsleistung erreichbar ist, kann eine Verschlechterung sogar von nur einem einzigen Manager herbeigeführt werden, wenn er denn nur weit genug oben in der Hierarchie seine Position hat. Das klingt unglaublich, ist aber immer wieder zu beobachten.


Nehmen wir den Fall von Peter, den ich selbst miterleben durfte (und der in Wirklichkeit natürlich anders heisst). Peter war relativ neu in einer Führungsposition in einem Konzern, der bis dahin eine vergleichsweise gute Unternehmenskultur gehabt hatte. Auf die traf jetzt Peter, der zuvor in einer anderen Landesgesellschaft gearbeitet hatte, und sich dort einen besonderen Glaubenssatz angeeignet hatte: der Chef muss möglichst allen wichtigen Entscheidungen selber treffen, sonst sind sie nicht gut.


Am Anfang hatten alle gedacht, dass das alleine daran scheitern würde, dass Peter gar nicht die Zeit finden würde, um sich um alle Themen zu kümmern. Aber er war anderer Meinung und glaubte, mit einem strikten Zeitmanagement wäre das kein Problem. Er teilte seinen Tag in eine ununterbrochene Reihe von dreissig- oder sechzigminütigen Calls und Meetings ein, von Acht Uhr morgens bis Neun Uhr Abends. In denen hörte er sich jeweils die Sachstände an, traf Entscheidungen und setzte Deadlines.1


Mit diesem strikten Zeitmanagement war allerdings ein Risiko verbunden - wenn es einmal nicht zu einer Entscheidung kam, wurden Folgetermine nötig, die aber in den vollen Kalender nicht mehr hineinpassten. Um es nicht dazu kommen zu lassen, versuchte Peter in möglichst jedem Termin eine Entscheidung zu erzwingen. Und sobald die einmal stand, durfte das Thema nicht nochmal aufgebracht werden. "Warum reden wir darüber?" fragte er dann, "Ich habe doch schon entschieden, nächsten Thema."


Für die anderen Angestellten waren diese Verhaltensweisen ein Problem. Nicht nur mussten sie die Erklärung ihrer z.T. hochkomplexen Themen so zusammenkürzen, dass wichtige Aspekte fehlten, die auf dieses Basis getroffenen (und praktisch irreversiblen) Entscheidungen waren dementsprechend auch nicht immer die besten und führten oft zu neuen Problemen, vermeidbarer Mehrarbeit, verärgerten Kunden oder verpassten Geschäftspotentialen.


Schon bald begannen sich daher die in Peters Termine mitgebrachten Unterlagen zu verändern. Um ihn an vorschnellen Entscheidungen zu hindern, wurde prominent auf noch fehlende wichtige Informationen hingewiesen, auf unabsehbare Konsequenzen zu früher Entscheidungen, auf eine unklare Rechtslage oder ähnliche Faktoren. Mit anderen Worten: die ursprünglich sehr lösungsorientierten Menschen in Peters Umfeld entwickelten mehr und mehr eine Problemfixierung und Bedenkenträger-Argumentation.


Bereits das wäre schon problematisch gewesen, es ging aber noch weiter. Immer wieder kam es vor, dass Peter zwar mit Verweisen auf fehlende Informationen oder unabschätzbare Risiken von Schnellschüssen abgehalten werden konnte, er aber in einem anderen Termin von anderen Mitarbeitern versehentlich Informationen bekam, die ihm doch eine Entscheidung ermöglichten. Von der dann nur noch in Kenntnis gesetzt zu werden war eine erstaunlich häufige Frustrations-Erfahrung.


Um dieser Erfahrung nach Möglichkeit nicht ausgesesetzt zu sein, begannen die Mitarbeiter damit, Informationen nicht mehr untereinander zu teilen oder sie möglichst unklar zu formulieren. Da es sich oft im Nachhinein herausstellte, dass einige dieser Informationen auch für andere wichtig gewesen wären, verschlechterte sich die Stimmung in der Belegschaft deutlich. Während vorher ein kollegialer und hilfsbereiter Umgang vorherrschte, entstand jetzt eine Misstrauens- und Blaming-Kultur.


Die Geschichte hatte noch einige weitere unschöne Aspekte, aus den hier beschriebenen lässt es sich aber erkennen, dass tatsächlich ein einziger Manager eine Firmenkultur herunterwirtschaften kann. Und selbst wenn dieser Fall hier ein besonders plakativer ist, es gibt noch viele andere Möglichkeiten, es zu tun, von falsch gesetzen finanziellen Anreizen über bürokratische Prozessvorgaben bis hin zur gezielten Einstellung und Beförderung nicht teamfähiger "Rockstars".


Natürlich steht auch hier am Ende die Frage, wie es besser ginge - die auch (scheinbar) einfach zu beantworten ist: man sollte Menschen wie Peter nicht in hohe Verantwortungspositionen befördern. Das zu schaffen ist aber eine grössere Herausforderung als man denken sollte. Finale Pointe: der hier beschriebene Peter hiess zwar nicht so, wurde aber hinter seinem Rücken so genannt, da seine Karriere dem Peter-Prinzip zugeschrieben wurde. Das wäre nochmal ein grosses und eigenes Thema.



1Auch das Mittagessen war ein Arbeitstermin, und Emails beantwortete er Nachts oder am Wochenende

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