Kommentierte Links (CXVIII)
Das Internet ist voll von Menschen, die interessante, tiefgründige oder aus anderen Gründen lesenswerte Artikel schreiben. Viele dieser Texte landen bei mir, wo sie als „Food for Thought“ dazu beitragen, dass auch mir die Themen nicht ausgehen. Wie am Ende jedes Monats gibt es auch diesesmal wieder eine kommentierte Übersicht über die erwähnenswertesten.
Die Idee einer netzwerlartigen Organisation wird immer wieder angeführt, wenn diskutiert wird, wie auch im grossen Masstab Agilität und Flexibilität möglich sein können, die dabei immer wieder gestellte Frage ist aber die, ob das auch in der Realität funktionieren kann. Pim de Morree kann diese Zweifel ausräumen indem er verschiedene grosse und mittelgrosse Unternehmen nennt, in denen bereits jetzt so gearbeitet wird, von Haier über Indaero, Buurtzorg und Vertica bis hin zu W.L. Gore. Derartige Praxisbeispiele können nicht nur Zweifel zerstreuen, sie bringen die Diskussion auch wieder zum richtigen Thema zurück: was müssen wir tun um selbst so arbeiten zu können?
Dieser Artikel von Erik de Bos enthält mit Enrise ein weiteres Beispiel für eine Netwerk-Organisation, konzentriert sich aber auf ein anderes Thema: was muss für wirkliche Selbstorganisation auf Teamlevel eigentlich gegeben sein? Der wichtigste unter den von ihm genannten Faktoren ist dabei eine gewisse Erfahrung, was auch intuitiv Sinn ergibt - ohne Erfahrungwerte ist es schwer, Potentiale und Risiken einzuschätzen, und ihnen vorbeugend oder reaktiv zu begegnen. Dort wo Erfahrungen vorhanden sind (oder nach und nach entstehen) sind Effektivität und Erfolgsaussichten von selbstorganisierten Einheiten dagegen deutlich höher.
Ein bisschen Meta-Perspektive. Bob Galen sinniert hier über zwei viral gegangene Linkedin-Artikel des Disciplined Agile-Erfinders Scott Ambler, in denen dieser (mit grenzwertiger Wortwahl) der agilen Bewegung vorgeworfen hat, ihre eigene Position durch Dogmatismus, Kommerzialisierung und fehlende Lösungsorientierung untergraben zu haben. Galen stimmt dieser Beschreibung grundsätzlich zu, was ihm darin fehlt, ist aber eine wie auch immer geartete Lösungsorientierung. Er ruft daher alle Meinungsführer der agilen Bewegung dazu auf, die zu erarbeiten. Ein Aufruf dem man sich nur anschliessen kann.
Ein Artikel, der in gleich zweifacher Hinsicht interessant ist. Zum einen, weil Prateek Singh in ihm die Probleme, die mit festen Deadlines oder festen Sprintlängen verbunden sind, gut herausarbeitet. In komplexen Umfeldern lässt sich eine Fertigstellungsdauer nicht seriös prognostizieren, dafür gibt es zu viele Unbekanntheiten und Dynamiken. Zum anderen ist aber interessant, wie wenig er über die Praktiken zu wissen scheint, mit denen in den Iterativen Ansätzen damit umgegangen wird (vereinfacht gesagt mit variablem Scope eines fixen Ziels). Mit diesem Wissen hätte er (der hier stellvertreten für die Kanban-Community steht) Scrum noch besser kritisieren können.
Zuletzt etwas Grundsätzliches. Charles Lambdin nimmt sich eines oft diskutierten aber z.T. sehr unterschiedlich verstandenen Konstrukts an, der Verspätungs-Kosten (Cost of Delay). Zu den verschiedenen interessanten Aspekten auf die er dabei eingeht gehört u.a., dass es auch negative Verspätungskosten gibt (die er mit Benefits of Delay treffender benennt) und dass es trotz einer letztendlichen Unbezifferbarkeit gute Gründe dafür gibt, es trotzdem zu versuchen. Lesenswert.