Donnerstag, 26. September 2024

Agile Success Stories: Entwickler und Anwender zusammenbringen

Bild: Pexels / Ivan Samkov - Lizenz

Dass "agile Methodiker" (Agile Coaches, Scrum Master, etc.) mit der Zeit eine eher negative Weltsicht entwickeln, ist leider ein verbreitetes Phänomen. Das ist auch irgendwie verständlich, wer sich ständig mit dem Beseitigen von Impediments und dem Kampf gegen Change Fatigue und Konzern-Trolle beschäftigen muss, kann schnell in Frustration abrutschen. Um nicht selbst in dieses Muster verfallen, möchte ich dagegenhalten, indem ich ab und zu selbst erlebte "agile Erfolgsgeschichten" veröffentliche.


Diese hier beginnt mit einem Problem. In einem Konzern, dessen agile Transformation ich begleiten durfte, galt das Verhältnis zwischen der internen Softwareentwicklung und den Anwendern in den Filialen als zerrüttet. Die Software würde schwer zu verstehen und zu bedienen sein, hiess es von den Filialkräften, umgekehrt beschwerten sich die Entwickler über unvollständige und erratische Anforderungen und Fehlermeldungen. Jede Seite sah das Problem bei der anderen.


Nach kurzem Nachforschen liess sich ein Grund für diese Missstände identifizieren: der Anforderungsmanagement-Prozess war (freundlich gesagt) suboptimal. Neue Anforderungen wurden (wenn sie überhaupt aus den Filialen kamen) von deren Leitern gestellt, die gar nicht mit den jeweiligen Systemen arbeiteten. Auf dieser Basis erstellte die IT-Konzeptionsabteilung eine Detailspezifikation und gab diese ohne Rücksprache mit dem Anforderer an die Entwicklung weiter, die nur noch umsetzte.


Natürlich kam es entlang dieser Strecke fast schon zwangsläufig zu Missverständnissen und Stille Post-Effekten, die dann in den oben genannten Problemen resultierten. Um das zukünftig zu verhindern, sah der neue Prozess etwas für diese Firma geradezu Revolutionäres vor: Anwender und Entwickler sollten diekt miteinander sprechen, und das nicht nur ab und zu sondern regelmässig. Und mit regelmässig war gemeint mindestens einmal pro Monat.


Umgesetzt wurde das, indem der gewählte Arbeitsmodus Scrum etwas angepasst wurde. Nach jedem zweiten Sprint fanden die Sprint Reviews in einer der Filialen statt. Im Mittelpunkt standen dabei nicht die Ergebnisse des letzten Sprints (die wurden in den dazwischenliegenden "normalen" Reviews besprochen) sondern das Feedback der Filialkräfte, und zwar sowohl zu Verständlichkeit und Bedienbarkeit der Anwendungen als auch zur Sinnhaftigkeit der als nächtes geplanten Funktionen.


Diese Filialbesuche brachten regelmässig erhellende Erkenntnisse. Immer wieder kam es vor, dass Funktionen, die Management und IT-Konzeption für zentral gehalten hatten, sich in der Realität als unbenötigt herausstellten, umgekehrt wurden von den Anwendern wiederholt Features gewünscht, die an die niemand gedacht hatte. Und nachdem dieser Arbeitsmodus eine Zeit lang gelaufen war, wurden die Reviewss immer positiver, da mehr und mehr der Wunsch-Features tatsächlich gebaut wurden.


Zur ganzen Wahrheit gehört, dass die Veränderungen nicht für alle Beteiligten positiv waren. Besonders die IT-Konzeptionsabteilung musste damit leben, in der Entwicklung der Filial-Software praktisch nicht mehr benötigt zu werden - und dass dann noch betont wurde, dass erst durch die direkte Kommunikation zwischen Entwicklern und Anwendern die Zufriedenheit mit der Software besser geworden war, dürfte für die bisher zwischen ihnen vermittelnden IT-Konzepter deprimierend gewesen sein.


Im Grossen und Ganzen empfanden aber fast alle das neue Vorgehen als eine Verbesserung, sowohl in Bezug auf die Zusammenarbeit als auch in Bezug auf die dadurch erzielten Ergebnisse. Wie ein Manager es irgendwann mal treffend bemerkte: "Wenn man sieht, wie gut es jetzt läuft, fragt man sich schon, warum wir das jemals anders gemacht haben."

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