Donnerstag, 18. Juli 2024

Woran man erkennt, ob einem Unternehmen Respekt und Augenhöhe wichtig sind

Es ist heute der Standard in jeder grösseren Organisation: alle geben sich (explizit oder implizit) Leitwerte wie Respekt, Augenhöhe, Fairness und Ähnliches. Das ist auch erstmal gut so, die Frage, die sich viele Betrachter dabei stellen, ist aber, ob das wirklich ernst gemeint ist oder nur der Aussendarstellung dient. Glücklicherweise gibt es eine einfache Möglichkeit, das herauszufinden - man muss sich nur anschauem, wie dort externe Mitarbeiter behandelt werden.


Zum gemeinsamen Verständnis: unter externen Mitarbeitern versteht man Menschen, die nicht in der Organisation für die sie arbeiten direkt angestellt sind. Stattdessen handelt es sich um Mitarbeiter externer Personaldienstleister und Zeitarbeits-Firmen, kooperierender Zulieferer oder eingebetteter Fremdfirmen für Kantine, Hausmeisterdienste, etc. In einigen Berufen, wie z.B. Pflegedienstleistungen oder Softwareentwicklung, kommen dazu noch zahlreiche solo-selbstständige Freelancer.


Dass diese externen Kollegen nicht komplett gleich behandelt werden können wie die internen ist auch klar, bei Leistungen wie z.B. einem Zuschuss zu einer Betriebsrente wäre das alleine aus juristischen Gründen nicht möglich. Und seit einigen Jahren muss eine erkennbar andere Behandlung erkennbar sein, wenn man verhindern will, dass externe Freelancer plötzlich als nur scheinselbstständig gelten. Was in vielen Firmen passiert ist mit diesen Gründen aber nicht zu rechtfertigen.


Um nur einige Beispiele zu nennen, die sich jetzt im Augenblick in Deutschland zutragen: eine Behörde verlangt von Bewerbern um externe Positionen die schriftliche Versicherung, sich nirgendwo sonst zu bewerben, schaut sich selbst aber in aller Ruhe verschiedene Kandidaten an. Ein Dax-Konzern verlangt von potentiellen externen Mitarbeitern, auf eigene Kosten quer durch Deutschland zu Vorstellungs-Interviews zu reisen, ein anderer teilt danach Absagen nur auf Nachfrage mit.


Ein IT-Systemhaus einer Behörde verlangt zwei Wochen unbezahlte Einarbeitung, da die Externen in dieser Zeit ja "noch keinen Mehrwert liefern", eine Bankengruppe verlangt das Gleiche, bevor ein auslaufender Vertrag verlängert wird. Bei einem Automobil-Hersteller werden die Büros, in denen die Externen sitzen, deutlich seltener renoviert und repariert als die der Internen, und fast überall sind die Kantinenpreise für externe Kollegen deutlich erhöht, zum Teil um das Doppelte.


Und das ist nur das was offiziell verlangt und kommuniziert wird, inoffiziell kommt noch mehr dazu. Es ist eine weitverbreitete Praxis, von externen Kollegen unbezahlte Überstunden zu verlangen, gerade in schlecht bezahlten Berufen, und wenn man weiss, dass diejenigen auf das Einkommen angewiesen sind. In Medien-Redaktionen wird von den so genannten "Festen Freien" oft verlangt, dass sie durchgehend in Warteräumen verfügbar sein müssen, wenn sie die Chance haben wollen, beauftragt zu werden.


Anstrengende, monotone oder Stress erzeugende Arbeiten werden in vielen Agenturen bevorzugt an externe Kollegen weitergereicht, bei Ergebnis-Präsentationen dürfen sie oft nicht mit auf die Bühne, sie werden bevorzugt in die Teams cholerischer und inkompetenter Vorgesetzter geschickt, und wenn die Budgets für ihre Einsätze gekürzt werden, erfahren sie es als letzte, damit sie durch die Hoffnung auf Verlängerung bis zum Schluss überdurchschnittlichen Einsatz zeigen.


Um auch das zu sagen: in vielen Firmen finden derartige Missstände nicht statt, und es gibt sogar einige, die die externen Mitarbeiter besser behandeln als die internen. Trotzdem sind die gerade genannten Phänomene weitverbreitet, wie zuvor gesagt handelt es sich bei jedem der genannten Beispiele für die schlechte Behandlung von Externen um solche, die gerade jetzt in verschiedenen Unternehmen und Behörden in Deutschland stattfinden und weiter stattfinden werden.


Dass all das mit Respekt, Augenhöhe und Fairness nichts zu tun hat, ist offensichtlich, stattdessen werden externe Kollegen in solchen Firmen als Menschen zweiter Klasse behandelt, und das in den meisten Fällen mit einer erstaunlichen Offenheit und mit einem bemerkenswert geringen Schuld- oder Unrechtsbewusstsein. "Das sind ja nur die Externen", heisst es häufig, "die sind ja eh bald wieder weg", oder der Klassiker: "Wenn es denen nicht gefällt, können sie ja gehen."


Was dabei oft nicht erkannt wird ist, dass diese Verhaltensweisen aber auch in der eigenen Belegschaft spürbare Folgen haben. Dass ein derartiger Umgang mit anderen Menschen toleriert oder sogar normalisiert wird trägt früher oder später zu einer toxischen Arbeitskultur bei, die dazu führt, dass die eigenen (fest angestellten) Mitarbeiter entweder verrohen und abstumpfen oder angewidert in die innere oder äussere Kündigung gehen.


Und dass die schönen an der Wand hängenden und in Management-Reden zitierten Leitwerte ernst gemeint sein könnten glaubt in solchen Firmen niemand, womit die Unternehmenskultur nochmals beschädigt wird. Die Betonung dieser Werte wird dort als paradoxe Kommunikation wahrgenommen und führt nicht nur dazu, dass ihnen nicht geglaubt wird, sondern auch dazu, dass jedem der sie einfordert Unaufrichtigkeit und Doppel-Standards unterstellt werden.


Es gibt also viele Gründe dafür, etwas zu tun, das eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte: externe Mitarbeiter gut zu behandeln. Das ist dann auch ein erkennbarer Beleg dafür, dass Respekt, Augenhöhe und Fairness ernst gemeint sind, und nicht nur deshalb an der Wand hängen, weil das gerade in Mode ist.

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