Montag, 8. Juli 2024

Der dreiteilige Vermerk

Wer hier schon länger mitliest weiss es - ich habe am Anfang meiner Karriere in einer Behörde gearbeitet, in der ich nicht nur viele der bekannten und beklagten Dysfunktionen erleben musste, sondern in der auch vieles einfacher, flexibler und effizienter organisiert war als in vielen Unternehmen, in denen ich später gearbeitet habe. Ein Werkzeug das ich dort kennengelernt habe benutze ich sogar bis heute (wenn auch meistens unter anderem Namen): den dreiteilen Vermerk.


Zum Hintergrund: mein Referat hatte relativ wenige gleichbleibende Regeltätigkeiten und war stattdessen an vielen Projekten, Arbeitsgruppen, Veranstaltungen und weiteren sehr unterschiedlichen Aufgaben beteiligt. Sowohl in der internen Kommunikation als auch in der Zusammenarbeit mit anderen Behörden, externen Partnern und höheren Hierarchieebenen war es daher immer wieder nötig, neue Themen und komplexe Zusammenhänge schriftlich zu kommunizieren.


Die Dokumente mit denen in der öffentlichen Verwaltung normalerweise Kommunikationen stattfanden, hiessen im Behördendeutsch "Vermerk", aber trotz ihrer zentralen Bedeutung für die Informationsverteilung gab es für sie kein standardisiertes Format. Je nachdem von welcher Person oder in welcher Organisationseinheit sie verfasst waren konnten sie lang sein oder kurz, strukturiert oder unübersichtlich, prägnant oder ausschweifend.


Das in meinem Umfeld meistens genutzte Format war das bereits Erwähnte. Der Vermerk bestand dabei in der Regel aus drei Teilen, die immer in der gleichen Reihenfolge angeordnet waren und die inhaltlich aufeinander aufbauten:

  1. Worum geht es?
  2. Was ist bisher passiert?
  3. Was ist als nächstes zu tun?

Gegebenenfalls folgten danach noch weiterführende Informationen, ein freizugebendes Dokument, ein Entwurf eines Rede-Manuskripts oder irgendeine andere Mehrwert stiftende Anlage.


Um auf die drei Hauptbestandteile einzugehen: alleine der erste Teil war bereits wichtiger als man denken könnte. Angesichts vieler verschiedener Themen und ständiger Kontextwechsel konnte nicht davon ausgegangen werden, dass jeder, der in einen Termin eingeladen oder um eine Entscheidung gebeten wurde, sofort alle Ziele, Handlungsbedarfe und Hintergründe parat hatte. In Worum geht es? wurden diese daher möglichst komprimiert auf maximal einer Seite zusammengefasst.1


Der zweite Teil, Was ist bisher passiert?, sollte verhindern, dass Diskussionen immer wieder von vorne begannen, oder dass Sachstände oder bereits abgeschlossene Aktivitäten redundant oder aufwändig zusammengetragen werden mussten. Im Idealfall enthielt er alle bereits beschlossenen Schritte oder Massnahmen, eine Übersicht darüber, welche bereits angegangen worden waren und ggf. welche davon bereits mit welchem Ergebnis beendet worden waren. Auch das idealerweise auf maximal einer Seite.


Der dritten Teil, Was ist als nächstes zu tun?, diente schliesslich dem Zweck, die anstehende Diskussion oder Entscheidung möglichst effizient zu gestalten. Im einfachsten Fall enthielt er mehrere Entscheidungs-Optionen, von denen nur noch eine gewählt werden musste, es konnten aber auch zu priorisierende Themen sein, Budget-Freigaben oder einfach die Agenda für das kommende Meeting, so dass jeder sich auf die Themen vorbereiten konnte.


Ähnlich wie z.B. die "Press Releases" von Amazon, die ich viel später kennengelernt habe, sind die dreiteiligen Vermerke eine einfache, komprimierte und klar strukturierte Art um komplizierte oder komplexe Themen verständlich aufzubereiten und effiziente Diskussions- und Entscheidungsprozesse zu befördern. Sie auf insgesamt nur ein bis zwei Seiten zu beschränken ist nicht immer einfach, kann aber dabei helfen, sich viele Ineffizienzen und redundante Diskussionen zu ersparen.


Ich habe bereits in verschiedenen Unternehmen mit diesem Format gearbeitet und es auch anderen empfohlen, wenn auch immer mit einer Einschränkung - es sollte nicht kategorisch vorgeschrieben werden, sondern nur da benutzt werden wo es Sinn macht. Auch in der Behörde in der ich es kennen gelernt habe, haben wir bei Bedarf andere Formate genutzt, wenn diese besser gepasst haben. Uns war bewusst, dass alles andere nur zu Bürokratie geführt hätte.



1Eine DIN A 4-Seite mag nach viel klingen, war im Vergleich zu anderen Dienststellen wenig. Der Durchschnitt lag bei einer halben Seite.

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