Freitag, 14. Juni 2024

Newton’s Flaming Laser Sword (Alder's Razor)

Marketing ist alles, das trifft auch auf Leitsätze oder Leitprinzipien zu. Das vielleicht beste Beispiel dafür trägt den schönen Namen Newton’s Flaming Laser Sword (Isaac Newtons brennendes Laser-Schwert), verfasst 2004 vom australischen Mathematik-Professor Mike Alder in einem Artikel in der Zeitschrift Philosophy Now. Dieses Leitprinzip hat aber nicht nur einen bemerkenswerten Namen, es ist auch eines, das inhaltlich sinnvoll ist.


Der Hintergrund der Entstehung dieses Prinzips, war, dass Alder in Diskussionen zunehmend davon genervt war, dass Hypothesen erstellt oder Meinungen geäussert wurden, die so formuliert waren, dass sie nicht beweisbar oder widerlegbar waren. Konkret nannte er das Beispiel eines Philosophie-Professors seiner Univerität, der behauptete, künstliche Intelligenz könnte es nicht geben, da alles was künstlich wäre, keine Intelligenz sein könnte.1


Sein als Erwiederung darauf gedachter Artikel ist zum einen ein seitenlanger Rant gegen dieses seiner Meinung nach unwissenschaftliche Vorgehen, zum anderen aber auch ein Verweis auf eine lange Reihe von Forschern und Wissenschaftlern, die gezeigt haben wie es besser geht, und die ihre Annahmen und Thesen überprüfbar und damit wiederlegbar gemacht haben. Besonders berief er sich dabei auf den englischen Physiker, Astronom und Mathematiker Isaac Newton.


Newton made his philosophical method quite clear. If Newton made a statement, it was always going to be something which could be tested, either directly or by examining its logical consequences and testing them. If there was no way of deciding on the truth of a proposition except by interminable argument and then only to the satisfaction of the arguer, then he wasn’t going to devote any time to it.
Mike Alder: Newton’s Flaming Laser Sword, Philosophy Now, May/June 2004


Übersetzt: wenn Behauptungen oder Annahmen gemacht werden, dann sollten es nur solche sein, die entweder durch eine Überprüfung oder durch logische Schlussfolgerungen bestätigbar oder widerlegbar sind. Wenn beides nicht möglich ist, und eine Diskussion über den Wahrheitsgehalt nur dadurch zu gewinnen ist, dass eine der Diskussionsparteien irgenwann erschöpft aufgibt, dann sollte man gar nicht erst anfangen, derartige Diskussionen zu führen.


Um den Bekanntheitsgrad dieses Denkansatzes zu fördern und um aufzuzeigen, dass er im Vergleich zum verwandten Konzept von Occam's Razor ein wesentlich schärferes Instrument darstellte, suchte Alder zuletzt noch nach einem eingängigen Namen für seine Schöpfung. Newton’s Flaming Laser Sword sollte genau das sein. Und zumindest in akademischen Kreisen und unter den Lesern des Magazins erreichte er damit auch schnell sein Ziel.


All good principles should have sexy names, so I shall call this one Newton’s Laser Sword on the grounds that it is much sharper and more dangerous than Occam’s Razor. In its weakest form it says that we should not dispute propositions unless they can be shown by precise logic and/or mathematics to have observable consequences. In its strongest form it demands a list of observable consequences and a formal demonstration that they are indeed consequences of the proposition claimed.
Mike Alder: Newton’s Flaming Laser Sword, Philosophy Now, May/June 2004


Kommen wir zur Übertragung in die Praxis, mit besonderer Berücksichtigung eines spezifischen Kontext: des Change Management. Auch hier gibt es immer wieder axiomatische Aussagen, etwa die, dass Angestellte die nicht kontrolliert werden aufhören würden zu arbeiten, oder die, dass durch die Gewährung von Selbstorganisation automatisch alles besser werden würde. Die Diskussionen darüber, ob das stimmt, sind häufig zutiefst philosophisch.


Newton’s Flaming Laser Sword kann derartige Debatten schnell beenden. Wann immer derartige Vermutungen oder Annahmen aufgestellt werden kann man fragen, ob es empirische Belege für sie gibt, bzw. ob es Möglichkeiten gibt, sie durch Empirie zu validieren. Wenn die Antwort auf beides Nein ist, kann ein Weiterführen der Diskussion zu keinem wirklichen Erkenntnisgewinn führen. Ist die Antwort dagegen Ja, kann die Unterhaltung auf die Zeit nach der Validierung vertagt werden.2


Vor allem in sehr debattenlastigen Umgebungen kann es sehr hilfreich sein, sich auf die Nutzung von Newton’s Flaming Laser Sword zu einigen. Sowohl die Länge als auch die empfundene Sinnlosigkeit vieler Diskussionen geht dann deutlich zurück. Und für alle, denen der Name nicht seriös genug erscheint, gibt es eine alternative Bezeichnung: Alder's Razor, benannt nach Mike Alder selbst. Das klingt neutraler, ist aber inhaltlich identisch.



1Ganz nebenbei: dass Alder in diesem Artikel auch davon berichtet, bereits 2004 eine "halluzinierende" künstliche Intelligenz gehabt zu haben, zeigt auf, wie lange es dieses Phänomen bereits gibt
2Was natürlich die Bereitschaft voraussetzt, diese Validierungen zeitnah vorzunehmen

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