Kommentierte Links (CXV)
Das Internet ist voll von Menschen, die interessante, tiefgründige oder aus anderen Gründen lesenswerte Artikel schreiben. Viele dieser Texte landen bei mir, wo sie als „Food for Thought“ dazu beitragen, dass auch mir die Themen nicht ausgehen. Wie am Ende jedes Monats gibt es auch diesesmal wieder eine kommentierte Übersicht über die erwähnenswertesten.
Die Mitte der 2010 Jahre ist im Rückblick die große Zeit der Scrum-Verschlimmbesserungen gewesen Ich selbst habe mich seinerzeit über einige dieser (inzwischen zu Recht in Vergessenheit geratenen) Konstrukte aufgeregt, namentlich über Reliable Scrum, Ultimate Scrum, Secure Scrum und Autoscrum. Maarten Dalmijn hat jetzt irgendwo einen weiteres derartiges Framework ausgegraben, dem ohne erkennbare Ironie der Name SCREAM! gegeben wurde, und das im Gegensatz zu den anderen noch irgendwo im Einsatz ist - mit sehr überschaubaren Ergebnissen. Es ist ein kurioses Phänomen: nahezu alle Versuche, ein "verbessertes Scrum" zu erfinden, enden im Gegenteil.
Ich habe eigentlich schon länger vor, irgendetwas zum Thema Design Thinking zu schreiben, zu dem ich ein sehr gespaltenes Verhältnis habe. Einerseitz ist der Ansatz von der Grundidee gut, andererseits endet seine Umsetzung regelmässig mit einem Wasserfall im Wasserfall, genauer gesagt mit einem Sequenzmodell innerhalb der Anforderungsphase. Pawel Huryn ist mir mit seinem Artikel jetzt zuvorgekommen, und das auch noch mit einem lobenswerten Spin. Statt sich einfach nur über das zu beschweren, was problematisch ist, macht er Vorschläge dazu, wie es besser ginge: durch mehr Feedback-Schleifen, Continuous Delivery und zusätzliche Erkenntnisquellen. Das sind gute Ideen.
Eine häufige Entwicklung (und eine, die ich auch absolut ok finde) ist die, dass Teams, die eine Zeit lang nach Scrum gearbeitet haben, irgendwann anfangen dessen Regeln an ihre Bedürfnisse anzupassen. Danny Faught berichtet in seinem Erlebnisbericht seiner letzten Einsätze von einigen Veränderungen, die auch ich immer wieder erlebt habe: aus den fest getakteten, auf ein einziges Ziel focussierten Sprints wird ein Flow-orientierter Durchlauf, aus dem Versuch Aufwände zu schätzen werden Durchsatz-Zahlen, dazu kommen andere Elemente aus Kanban und XP. Das was die Fälle aus diesem Bericht von vielen anderen unterscheidet ist ihre Ehrlichkeit - es wird auch nicht so getan, als würde das Ergebnis noch Scrum sein. Es ist irgendetwas anderes geworden.
Ein weiterer Schritt heraus aus der Scrum Bubble, diesesmal einer, in dem es um eine der absoluten Grundlagen und Vorbedingungen für agiles Arbeiten geht: darum, dass die Mitarbeiter bereit sind, offen, ehrlich und proaktiv zu kommunizieren. Die Ausführungen von Elaine Lin Hering zu diesem Thema haben viel mit psychologischer Sicherheit zu tun, aber auch mit ehrlichkeit, Berechenbarkeit, Einbeziehung und Unterstützung. Das ganze mit einer Management-Perspektive im Hinterkopf, also darauf bezogen, was ein Manager machen kann, um die erwähnten Effekte herbeizuführen.
Das es sehr unterschiedliche Verständnisse der Natur eines Minimum Viable Product (MVP) gibt, hatte ich
irgendwann bereits aufgeschrieben. Auch Kent Beck, einer der Erfinder des Extreme Programming, hat seine Definition, die sehr der aus dem Lean Startup ähnelt. Ein MVP ist in seiner Sicht das Ergebnis der kleinstmöglichem Umsetzungsarbeit (
→ Minimum), mit der man einen belastbaren Lerneffekt (
→ Viable) zu dem Kundenanliegen an dem man arbeitet (
→ Product) gewinnen kann. Mit anderen Worten: kein MVP to earn", sondern ein "MVP to learn". Auch aus meiner Sicht die spannendere und oft zielführendere Variante.