Donnerstag, 11. April 2024

Ausbalancierte Product Ownership

Bild: Pexels / Ivan Rebic - Lizenz

Eine der vermutlich ältesten Debatten im Umfeld von Scrum und anderen agilen Ansätzen dreht sich um die Frage, wie gross der Entscheidungsspielraum eines Product Owners (oder vergleichbarer Projektmanagement-Rollen) ist. Darf er wirklich alles entscheiden, bis hin zur möglichen Einstellung seines Produkts, oder ist er lediglich dafür zuständig die Wünsche seiner Stakeholder zu sammeln und zu einem in sich stimmigen Ganzen zusammenzufügen?


Die Antwort ist natürlich auch hier "kommt darauf an", allerdings mit einer gewissen Ausdifferenzierung. Statt einem dieser beiden Extremtypen zu entsprechen, befinden sich die meisten Product Owner irgendwo auf einer dazwischenliegenden Skala, und auch das nicht stationär sondern je nach Kontext mal hier und mal dort. Das ist auch bereits mehrfach beschrieben worden, vielleicht am eingängigsten vom Produktmanagement-Experten Roman Pichler.


In seinem Text Be a Balanced Product Leader, Not a Feature Broker or Product Dictator gibt er den beiden Extremtypen Namen, nämlich genau die im Titel genannten: der Feature Broker hat kaum Gestaltungswilllen oder Gestaltungskompetenz und beschränkt sich darauf, zwischen den Stakeholdern so lange zu vermitteln, bis eine gemeinsame Priorisierung aller Anforderungen entstanden ist. Der Product Dictator hat Gestaltungswilllen und Gestaltungskompetenz und entscheidet alles komplett alleine.


Warum die Extreme schädlich sind, dürfte offensichtlich sein. Das "Produkt" eines Feature Brokers wird schnell zu einem inkonsistenten Sammelsurium von Kompromisslösungen werden, das eines Product Dictators wird zwar in sich stimmig sein, im Zweifel aber vor allem ihm selbst gefallen und nicht notwendigerweise auch den Kunden oder Anwendern. Der "Ausbalancierte Product Owner" befindet sich in der Mittel und hat Züge von beiden, hält sie aber im vernünftigen Rahmen.


Was Pichler ergänzend anmerkt ist, dass jeder Product Owner sich des Risikos bewusst sein sollte, sich unbewusst zu sehr in eine der beiden Richtungen zu bewegen. Vor allem wenn das in kleinen, für sich genommen unscheinbaren Schritten geschieht, kann man das irrige Gefühl haben, sich nicht aus der Mitte wegbewegt zu haben, während die Umgebung einen mittlerweile als einen der beiden Extremtypen wahrnimmt (und unter den damit verbundenen Dysfunktionen leidet).


Es ist daher ratsam, von Zeit zu Zeit zu überprüfen, wo auf der Skala zwischen Feature Broker und Product Dictator man sich befindet. Ob man das durch Selbstreflektion, Überprüfung festgelegter Kriterien oder Feedback von anderen macht kann von Fall zu Fall unterschiedlich sein, wichtig ist aber, dass es überhaupt stattfindet. Nur so kann man sicherstellen, in einer ausbalancierten Rollenausprägung zu bleiben (oder in sie zurückzukehren).

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