Hat Scrum zu viele Meetings?
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Wenn irgendwo zum ersten mal Scrum eingeführt wird, kann man fast schon darauf wetten, dass man sich früher oder später eine bestimmte Beschwerde anhören kann: seit der Umstellung würde es viel zu viele Meetings geben, man käme jetzt "gar nicht mehr zum Arbeiten". Derartigen Äusserungen nachzugehen lohnt sich, schliesslich können sie schlimmstenfalls dazu führen, dass die ganze Methodik abgelehnt wird. Also: bringt Scrum zu viele Meetings mit sich?
Ein Blick in den offiziellen Scrum Guide bringt erste Erkenntnisse: in einem zweiwöchigen Sprint gibt es ein Planning von vier Stunden, ein Review von zwei Stunden, eine Retrospektive von eineinhalb Stunden und zehn Dailies von jeweils 15 Minuten. Optional kommt das Refinement dazu.1 Im Durchschnitt kommt man damit auf ca. eine Stunde pro Tag, mit einem Schwerpunkt auf dem Sprintwechsel. Das macht noch nicht wirklich den Eindruck von Meeting-Overhead.
Dort, wo es zu einer Überhandnahme von Terminen kommt, muss es also andere Gründe geben. Einer, den man häufig findet, ist der, dass die Scrum-Meetings deutlich überzogen werden. Dailies dauern dann z.B. jeweils eine Stunde und die Retrospektive den halben Tag. Die Lösung in diesem Fall ist einfach: sich an die vorgegebenen Beschränkungen zu halten, reduziert Meeting-Zeit. Will man das nicht tun ist das zwar auch ok, dann sollte man sich aber auch nicht beschweren.2
Noch häufiger ist es so, dass sich die Meeting-Dichte dadurch ergibt, dass zu den in Scrum vorgegebenen Terminen noch weitere kommen. Dazu können Regeltermine gehören, wie z.B. wöchentliche Abstimmungen mit wichtigen Stakeholdern, aber auch anlassbezogene, z.B. Termine zur Erfassung oder Klärung von neuen Anforderungen. Es liegt damit kein Problem vor, dass sich aus der Methodik ergibt - aber eines, das sich mit Hilfe der Methodik lösen lässt.
Fast alles, was in diesen sonstigen Meetings abgehandelt wird, lässt sich auch in einem der Regeltermine unterbringen. Erfassung und Klärung von Anforderungen können im Refinement stattfinden, Stakeholder-Kommunikation im Review, Architektur-Diskussionen im Planning, eine Klärung von Unstimmigkeiten im Team in der Retrospektive. Geht man so vor gibt es kaum noch Themen, die ein zusätzliches Meeting brauchen - zumindest keine mit Bezug zum Produkt oder zum Scrum Team.
Was nämlich auch immer wieder auftritt, sind Termine völlig ohne Produkt- oder Teambezug, die zu den Scrum-Meetings dazukommen. Die können zu übergreifenden Organisationseinheiten gehören (z.B. wöchentliche Abteilungsrunden), sie können aber auch Teil des zweiten oder dritten Projekts sein, in dem einige oder alle Teammitglieder mitarbeiten müssen. Auch hier ist die Lösung einfach: man muss lediglich aufhören, die Mitarbeiter zu überplanen.
Zurück zur Ausgangsfrage: bringt Scrum zu viele Meetings mit sich? Die Antwort - ja, aber nur dann, wenn die neuen Termine die alten nicht ersetzen, sondern zu ihnen dazukommen, oder wenn für Themen, die in den bestehenden Meetings behandelt werden, könnten neue angesetzt werden. Die sich daraus ergebende gute Nachricht: man kann selbst dafür sorgen, dass der eigene Kalender leerer wird. Man muss es eben nur tun.
2Ausserdem ist es wenn man sich nicht an die Vorgaben hält kein Scrum mehr