Montag, 17. Juli 2023

Don't worry, be happy

Bild: Pxfuel - Lizenz

Wer dort unterwegs ist, wo mehr oder weniger nach den agilen Frameworks gearbeitet wird, wird früher oder später etwas Erstaunliches feststellen: ein Grossteil der Menschen hier befindet sich mehr oder weniger durchgehend in einem Zustand des Sarkasmus, des Zynismus oder der Ironie, wenn es zum Gesprächsthema Agilität kommt. Komisch eigentlich, schliesslich sollte man denken, das Verbessern der Arbeitswelt sollte doch eine freudige Angelegenheit sein.


Und doch ist es so. Ich bin mittlerweile seit über 10 Jahren in agilen Projekten und Transitionen unterwegs, habe mehr als 100 Meetups und User Groups organisiert oder besucht und bin auf mehr als 20 Konferenzen Speaker und Teilnehmer gewsen. Und in dieser gesamten Zeit habe ich überall einen signifikanten Anteil von Product Ownern, Scrum Mastern, Agile Coaches und sonstigen Agilisten vorgefunden, die durchgehend diese negativen Einstellungen hatten.


Bei näherer Betrachtung ist auch nachvollziehbar, wo das herkommt. Die Umstellung von (gerade grösseren) Organisationen auf agiles Arbeiten kann den Beteiligten wie eine Sisyphos-Arbeit vorkommen. Überall gibt es Missverständnisse, Widerstände und Hindernisse, statt klarer Entscheidungen gibt es oft nur halbgare Kompromisse und immer wieder gibt es Versuche alles wieder rückgängig zu machen. Wie soll man da nicht frustriert werden?


Selbst wenn es darauf keine für alle Kontexte gültige Antwort gibt, glaube ich eine gefunden zu haben, die zumindest mir dabei hilft, positv und optimistisch zu bleiben. Sie ist (wenig überraschend) der Ratschlag sich die Erfolgserlebnisse zu vergegenwärtigen, und zwar vor allem die kurzfristigen und langfristigen. Die dazwischen liegenden "Mühen der Ebene" bleiben zwar bestehen, sie erhalten aber durch das was davor und danach kommt ein neues Framing.


Kurzfristige Erfolgserlebnisse gibt es bei agilen Transitionen viele. Um das vermutlich häufigste zu nennen: wenn Teams nach einer Umstellung ihres Arbeitsmodus auf Scrum zum ersten mal selbst bestimmen dürfen, wie viel Arbeit sie in den nächsten Sprint nehmen, gibt es in der Regel einen Schub plötzlich steigender Arbeitsmoral, und wenn es in den nächsten Monaten zu einer höheren Liefergeschwindigkeit kommt, einen weiteren. Und das ist nur ein Beispiel.


Ich habe immer wieder die fast schon kindliche Freude von Stakeholdern erlebt, die mit einem dringenden Anliegen zum Product Owner gekommen sind und es bereits zwei Wochen später umgesetzt hatten, statt wie vorher mehrere Monate darauf warten zu müssen. Und auch einem Entwickler zuzuhören, der mit leuchtenden Augen davon erzählt, wie er nach 30 Jahren isolierter Arbeit in einer Konzern-IT das Pair Programming für sich entdeckt hat, ist etwas Besonderes.


Langfristige Erfolgserlebnisse muss man sich dagegen bewusst vor Augen halten, am besten durch den Vergleich der Ist-Situation mit der vor mehreren Jahren. Sobald Fachabteilung, Entwicklung, Qualitätssicherung und Betrieb in einem Team zusammenarbeiten wird das z.B. erstaunlich schnell als so normal wahrgenommen, dass in Vergessenheit geraten kann, wie revolutionär das in Relation zum Ausgangszustand ist, in dem nur über das Management miteinander kommuniziert wurde.


Und dass Refactorings, Abbau technischer Schulden und Bugfixing nicht hoch genug priorisiert werden, ist zwar ärgerlich, dass die umzusetzenden Anforderungen aber überhaupt einsehbar sind, dass sie umpriorisiert werden können, und dass für diese Umpriorisierung Wünsche und Hinweise geäussert werden können, ist etwas, das in den meisten klassisch geführten Unternehmen für utopisch oder gefährlich gehalten werden würde.


Ein einfacher Weg, sich selbst zu einem derartigen positiven Framing zu verhelfen, ist in Retrospektiven, Communities of Practice, Meetups und sonstigen Veranstaltungen darauf zu achten, dass dort nicht nur die gerade drängenden Probleme diskutiert werden, sondern auch das was gut läuft, was erreicht wurde und was sich gerade in eine positive Richtung entwickelt. Alleine die Beschäftigung damit kann ein Abgleiten in Sarkasmus, Zynismus oder Ironie vermeiden.


Gerade wenn man als Scrum Master oder Agile Coach arbeitet, hat man hier besondere Möglichkeiten, aber auch eine besondere Verantwortung. Da in einem agilen Setting die meisten Termine von diesen Rollen (mit)vorbereitet und moderiert werden, kann man besonderen Einfluss darauf nehmen, wie sie sich entwickeln. Man kann also selbst zu konstruktiver Stimmung beitragen. Auch das übrigens etwas, was ein guter Grund dafür ist, den eigenen Job und seinen Kontext positiv zu sehen.

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