Dreistunden-Sprints
Bild: Pixabay - Mabel Amber - Lizenz |
Zu den Firmen, die in der agilen Community gehypt und als Vorbild gesehen werden, gehört seit einigen Jahren auch Tesla. Dass das so ist, hängt weniger damit zusammen, dass man wirklich weiss wie dort gearbeitet wird, und mehr mit einem bekannten "Methodenbotschafter". Joe Justice hat dort als Agile Coach gearbeitet und erzählt oft von dieser Zeit (zum Beispiel hier). Und die eine Erzählung die zum "agilen Mythos" von Tesla beiträgt ist diese: dort gibt es Teams, deren Sprint nur drei Stunden dauern.
Wie genau das vor sich geht, verrät er mit Verweis auf eine Geheimhaltungsvereinbarung nicht, er betont aber, dass am Ende jedes Sprints ein Increment steht, was durchaus beeindruckend ist. Wenn wir jetzt unterstellen, dass sich dahinter nicht nur eine Fantasie-Geschichte verbirgt, sondern ein echter Erfahrungsbericht, verlockt all das sehr zur Spekulation. Wie kann es Tesla wohl geschafft haben, auf diese unglaublich wirkenden Lieferzyklen zu kommen?
Um mit etwas nicht Unwesentlichem zu beginnen - es ist nicht so, dass alle Teams diese schnelle Taktung haben. Justice berichtet selber, dass es nur einige Teams sind die so organisiert sind, bei anderen dauert es deutlich länger, bis zu drei Monaten.1 Das relativiert die Geschichte bereits ein bisschen, alleine deshalb weil nicht klar wird, wie die Mengenverhältnisse sind. Würden z.B. nur 10 Prozent der Teams in Dreistunden-Sprints arbeiten wäre das immer noch beachtlich, aber nicht so sehr wie bei 90 Prozent.
Eine zweite wesentliche Rahmenbedingung ist die, dass es sich nicht um Sprints handelt, wie wir sie aus Scrum kennen. Scrum ist für eine bis vier Wochen konzipiert und würde in derartig kurzen Zeiträumen für Meeting-Overhead sorgen, dazu kommt, dass es die zentrale und im Framework zwingend vorgegebene Scrum Master Rolle laut Justice bei Tesla nicht gibt. Dort wird also nicht nach Scrum gearbeitet. Um welche andere Variante von Sprints es sich handelt, bleibt offen, es könnten z.B. auch Endsprints sein.
Eine dritte Information gibt es wieder bei Justice selbst: bei vielen Teams handelt es sich nicht um langfristig stabile Produktteams, sondern um Ad hoc-Teams, die kurzfristig in einem Open Space-artigen Prozess aus den gerade verfügbaren Mitarbeitern zusammengestellt werden. Das bedeutet aber auch, dass diese Teams nicht alle drei Stunden, bzw. jeden Sprint, ein Increment liefern, alleine deshalb nicht, weil sie sich nach jedem Sprint wieder auflösen und ihre Mitglieder ins nächste Ad hoc-Team wechseln.
Mit diesem Wissen im Hinterkopf - möglicherweise ist es am Ende viel banaler als man denkt. Ein Teil der Mitarbeiter arbeitet in tage-, wochen- oder monatelangen Zyklen mehr oder weniger agil, nur der andere Teil findet sich in kurzfristig gebildeten Ad hoc-Teams zusammen, die dann relativ kleine Aufgaben übernehmen (etwa den Austausch eines Maschinen-Bauteils oder das Anpassen eines Formulars auf einer Webseite). Und diese schnellen Klein-Arbeiten nennt man dann "Sprint".