Dienstag, 11. April 2023

Lean-Metriken (II)

Bild: Pixabay / Prawny - Lizenz

Zweiter Teil der Übersicht über die Lean-Metriken (Teil 1 ist hier). Auch mit dieser Erweiterung ist die Aufzählung sicher noch nicht vollständig, irgendwann kommt mindestens noch ein dritter Teil (Nachtrag: hier ist er). Zunächst aber soll es hier um die Fluss-Effektivität gehen, also um Metriken, mit deren Hilfe sich erkennen lässt, ob überhaupt die richtigen Tätigkeiten stattfinden oder ob gerade unnötig Geld und Zeit verbraucht werden. Wichtig ist dabei, dass sie im Zusammenhang mit den Durchlaufmetriken des ersten Teils gesehen werden können, und zwar sowohl für die Lead Time/Gesamtdurchlaufzeit als auch für ihre einzelnen Teilstrecken (dazu am Ende mehr).


Value Adding Time

Der Idealfall. In etwa als "Wertschöpfungszeit" übersetzbar sollte die Value Adding Time eigentlich den grössten Teil der Durchlaufzeiten ausmachen. Was dort geschieht kann je nach Art des Produkts oder der Dienstleitung sehr unterschiedlich sein, im Normalfall sind aber Tätigkeiten enthalten, die zur Erstellung, Vermarktung und Inbetriebnahme von Produkt oder Dienstleitung gehören, ggf. einschliesslich von Vorarbeiten wie dem Einkauf oder nachgelagerter Tätigkeiten wie dem Kundenservice. Die Wichtigkeit ergibt sich daraus, dass es im Wesentlichen diese Tätigkeiten sind, für die Kunden Geld bezahlen.


Transportation Time

Der erste zu vermeidende Typ und gleichzeitig ein alter Bekannter. Transporte sind eine der klassischen Mudas des Toyota Production System (TPS), also eine nicht gewinnbringende aber Ressourcen verbrauchende Tätigkeit. Je nachdem, in welchem Rahmen sie gemessen wird, kann auch die Transportation Time sehr unterschiedlich aussehen, angefangen vom Werkstoff-Transport zum anderen Ende der Firma bis zum Containerschiff, dass das Produkt rund um die Erde fahren muss. Eine weitere Variante wäre das langsame Herunterladen eines digitalen Produkts durch eine schlechte Telefonleitung.


Waiting Time

Ebenfalls eine Muda, und dazu die vielleicht die am weitesten verbreitete. Überall dort, wo die Menschen oder Maschinen mehr Arbeit zu erledigen haben als sie bewältigen können, werden sich Aufgaben aufstauen und auf ihre Erledigung warten, was in grossen Organisationen auch Monate und sogar Jahre dauern kann. Als Zusatzeffekt erzeugen Wartezeiten, sobald sie auftreten, noch weitere Aufwände, da die wartenden Aufgaben aktuell gehalten und ggf. verworfen, neu formuliert, neu verhandelt oder repriorisiert werden müssen.


Blocked-Time

Die Blocked Time wird häufig mit der Waiting Time verwechselt, hat aber eine andere Natur. Wartende Aufgaben könnte man selbst erledigen, wenn man denn die Zeit hätte. Geblockte Aufgaben müssen durch jemanden anderen erledigt werden, der dafür zuerst seine gegenwärtige Tätigkeit abschliessen und sich die Aufgabe erklären lassen muss (ggf. kommen noch Preisverhandlungen und Beauftragungen dazu). Besser wäre es, diese Tätigkeiten selbst erledigen zu können, wodurch die Blocked Time verschwinden würde.


Repair Time

Noch eine Muda. Wenn man Repair Time nicht als den Reparaturaufwand nach einem Unfall versteht, sondern als die Zeit die für die Behebung von Hardware-Produktionsfehlern und Software-Bugs nötig ist, ist klar, dass sie so gering wie möglich sein sollte. Auch hier kann es zu negativen Zusatzeffekten kommen, da auch Reklamationen und Umtausche Aufwände erzeugen und die mit den Reparaturen betrauten Menschen dadurch aus ihren aktuellen Tätigkeiten herausgerissen werden, mit Verlangsamungen durch Context Switching und Rüstzeiten als Folge.


Red Tape Time

Hinter der Red Tape Time verbirgt sich die letzte Muda dieser Übersicht, das Overprocessing. Red Tape ist im Englischen ein Sammelbegriff für unnötig komplizierte Prozesse und unnötig bürokratische Vorschriften, und wer bereits in grossen Organisationen gearbeitet hat wird wissen, dass sie dort weit verbreitet sind (hier ein besonders verstörendes Beispiel aus einer deutschen Behörde). Und dass derartige Tätigkeiten nichts zur Wertschöpfung beitragen dürfte ebenfalls offensichtlich sein.


Process Effectivity

Setzt man jetzt die Value Adding Time und die ressourcenverbrauchenden aber nicht wertschöpfenden Varianten Transportation Time, Waiting Time, Blocked Time, Repair Time und Red Tape Time in Verhältnis zueinander, erhält man die Prozess-Effektivität. Wenn die gesamte Durchlaufzeit nur aus Value Adding Time besteht ist das Ergebnis ideal, wenn die Zeit überwiegend für die anderen Typen verbraucht wird ist es eher schlecht. In diesen Fällen macht es sinn, den Prozess so zu verändern, dass diese Aufwände zurückgehen.


Von der Prozess-Effektivität zu unterscheiden ist übrigens die Prozess-Effizienz. Dazu ein anderes mal mehr (Nachtrag: und zwar hier, im dritten Teil der Lean-Metriken).

Related Articles