Montag, 13. Februar 2023

Sagen, was schiefläuft

Bild: Pxhere - CC0 1.0

Die besten Lerneffekte erziehlt man erfahrungsgemäss dort wo man es nicht erwartet hätte. In diesem Sinn begeben wir uns jetzt auf die Reise an einen Ort an dem Veränderungs-Kommunikation auf ungewöhnliche und dennoch vorbildliche Art und Weise stattfindet. Wir steigen gedanklich ein in einen Zug der Deutschen Bahn und erinnern uns an etwas das jeder Zuggast schon zigfach erlebt hat: die Verspätungs-Durchsagen.


Warum die mittlerweile bemerkens- und erwähnenswert sind erschliesst sich vor allem dann wenn man bedenkt wie sie früher einmal waren. Bis vor wenigen Jahren eher nichtssagend und abstrakt, ohne einen wirklichen Informationswert. Ein Klassiker den noch jeder in Erinnerung haben dürfte sind die Verspätungen wegen "Störungen im Betriebsablauf", auch "Technische Probleme" kamen immer wieder vor. Was im Einzelen damit gemaint war blieb unklar.


Wer schon einmal beruflich mit der Kommunikation ungeplanter Veränderung zu tun hatte kann sich vorstellen was die Beweggründe für diese Art der Information gewesen sein werden. Die Betroffenen sollen nicht durch zu viele Details verwirrt oder durch die Nennung von Problemen verunsichert werden, eine Qualitätssicherung detaillierterer Informationen wäre aufgrund der Menge nicht machbar, eine dezentrale Kommunikation ohne Qualitätssicherung wäre ein Verlust der "Message Control", etc.


Das alles ist nachvollziehbar, führt aber zu einem Problem: die Betroffenen haben (zu Recht) das Gefühl, dass Informationen vor ihnen zurückgehalten werden, kennen aber die Gründe dafür nicht. Da sie die "professionellen Bedenken" gegen offene Kommunikation nicht kennen beginnen sie irgendwann unschöne Beweggründe zu unterstellen, etwa bösartig gewollte Intransparenz oder den Versuch grössere Probleme zu vertuschen. Misstrauen kommt auf und Konflikte entstehen.


Zurück zur Deutschen Bahn. Seit einiger Zeit sind deren Verspätungs-Durchsagen anders geworden. Sie nennen Probleme beim Namen, vom anderen Zug der Vorfahrt hat über den Polizeieinsatz auf den Gleisen bis hin zum Bordbistro, das geschlossen ist weil das Personal selbst in einem verspäteten Zug sitzt. Und wenn das Zugpersonal selber auch nicht weiss warum die Fahrt nicht weitergehen darf wird sogar das in aller Offenheit zugegeben.



Das erste Problem ist damit gelöst, die Fahrgäste sind nicht mehr im Ungewissen über das was gerade passiert, die Probleme erscheinen greifbarer und es lässt sich abschätzen zu wieviel Verzögerung der jeweilige Vorfall wohl führen wird. Das durch intransparente Kommunikation früher oft aufgekommene Misstrauen entsteht nicht mehr und kann auch nicht mehr zu Konflikten zwischen Personal und den Fahrgästen führen, die verlangen endlich informiert zu werden.


Aber bleibt nicht das zweite Problem, das der fehlenden Message Control? Ist es jetzt nicht so, dass die nicht in diplomatischer Kommunikation geschulten Schaffner und Zugführer die Informationen mitunter unsensibel, ruppig oder spürbar frustriert übermitteln? Kurz gesagt: ja es ist so, dass das immer wieder vorkommt, ein Problem ist es aber nicht. Tatsächlich kommt diese authentische Kommunikation so gut an, dass sich im Internet Best of-Sammlungen finden. Einige Beispiele:






Was professionelle Change-Kommunikation von der Deutschen Bahn lernen kann dürfte offensichtlich sein: wenn es nicht läuft wie geplant ist es keine gute Idee Informationen zurückzuhalten. Stattdessen offen, authentisch und in normaler Spache zu kommunizieren welche Probleme es gibt, was man selbst weiss und was nicht, ist dagegen sehr zu empfehlen. Das gilt auch und gerade dann wenn davon auszugehen ist, dass diese Informationen nicht auf Begeisterung stossen werden.


Wer sich dagegen entscheiden und weiter intransparent kommunizieren will sollte sich überlegen bei der Bahn nachzufragen wie das bei denen geklappt hat. Spoiler: nicht besonders gut. Das war schliesslich auch der Grund dafür, dass dort die Art der Kommunikation umgestellt wurde.

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