Digitalisierung (VI)
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Im Kontext von agilem Arbeiten gilt Digitalisierung grundsätzlich als etwas Gutes. Die einfache Verfügbarkeit und Verarbeitbarkeit von Daten, die extrem beschleunigte Kommunikation und das Wegfallen der Aufwände für die physische Aktenlagerung und -verwaltung können entscheidend zur schnellen Reaktions- und Lieferfähigkeit beitragen. Allerdings kann auch das Gegenteil zutreffen, Die Digitalisierung kann die Agilität behindern und einschränken.
Dieses Phänomen tritt absehbar dann auf, wenn die Flexibilität einer digitalen Eingabe-Regulierung oder Prozess-Steuerung kleiner ist als die Varianz der eingehenden Parameter. Weniger technokratisch gesagt: Wenn digitalisierte Prozesse und Formatierungen nur für einen Teil der möglichen Anwendungfälle passend sind, für alle anderen aber nur noch eingeschränkt oder gar nicht, dann wird es für all diese anderen kompliziert und langwierig.
Das Bemerkenswerte an derartigen Konstellationen: in vielen Fällen sind sie nicht zufällig entstanden sondern sie sind explizit so gewollt. Das kann zum einen so sein, weil unreflektiert bestehende dysfunktionale Formate oder Prozesse digitalisiert werden (unvergessen ist das legendäre Zitat "Wenn sie einen Scheißprozess digitalisieren, dann haben sie einen scheiß digitalen Prozess."). Die funktionieren dann genauso schlecht wie vorher in analoger Form.
Zum anderen kann aber auch die irrige Annahme dahinterstecken, dass man durch eine Einschränkung von Handlungsoptionen im digitalisierten Prozess auch Komplexität und Ungewissheit einschränken könnte (was letztendlich nichts anderes als eine weitere Taylorismus-Phantasie ist). Da das meistens in der Realität nicht funktioniert führt es dazu, dass immer wieder falsche oder unnötig aufwändig erzeugte Ergebnisse zustandekommen, was auch hier auf Kosten der Agilität geht.
Aber selbst wenn derartige Hintergründe nicht gegeben sind kann Digitalisierung ein Hindernis für ein agiles Vorgehen sein. Dann nämlich, wenn die digitalisierten Systeme so umfangreich oder so technologisch so veraltet sind, dass selbst kleine Anpassungen unverhältnismässig viel Zeit und Geld erfordern. Schlimmstenfalls kann es sogar zum technischen Bankrott kommen, dem Zustand in dem Anpassungen gar nicht mehr möglich sind.
Heisst das im Ergebnis also, dass man Digitalisierung lassen soll wenn man agil arbeiten möchte? Natürlich nicht. Völlig analog würde ein agiles Vorgehen ebenfalls nur noch schwer möglich sein. Man sollte sich aber bewusst machen, dass Digitalisierungsvorhaben nicht nur Vorteile mit sich bringen sondern auch Einschränkungen und Risiken. Derer sollte man sich bewusst sein, sonst riskiert man, dass man zwar digital arbeitet, aber auch langsam und unflexibel ist.