Donnerstag, 6. Oktober 2022

Jidōka

Bild: Wikimedia Commons / Toyota Commemorative Museum of Industry and Technology - CC BY-SA 3.0

Ich fürchte, ich muss mal wieder mit japanischen Fremdwörtern um mich werfen. Heute geht es um Jidōka (自働化), einen Begriff der (wie viele andere aus dieser Sprache) nur schwer zu übersetzen ist. Autonome Automation (Autonomation), intelligente Automation oder Automation mit menschlichem Antlitz sind Übersetzungsversuche, die aber alle nur teilweise korrekt und nur schwer verständlich sind. Dabei ist das dahinterstehende Prinzip eigentlich recht einfach.


Jidōka geht aus von der Erkenntnis, dass bestimmte Reparaturen oder Überprüfungen zwar nur von Menschen vorgenommen werden können, dass komplizierte oder komplexe Systeme aber so unübersichtlich sind, dass ein Mensch gar nicht überblicken kann an welcher Stelle Reparaturen oder Überprüfungen gerade nötig sein könnten. Um das zu beheben werden Maschinen oder Programme erstellt, die den Menschen auf Anomalien hinweisen können.


Das älteste und vielleicht bekannteste Beispiel dafür ist der Webstuhl, der von Toyoda Sakichi, dem Gründer der Firma Toyota, erfunden wurde. Um zu verhindern, dass fehlerhafte Stoffe produziert wurden, überprüfte ein Mechanismus ob die zur Verarbeitung geleiteten Fäden angespannt waren. War das nicht der Fall wurde der Webvorgang angehalten und ein Arbeiter benachrichtigt, der dann überprüfen konnte ob ein Faden gerissen war und neu eingespannt werden musste.


Derartige Jidōka-Mechanismen wurden später zu einem der Grundpfeiler des Toyota Production System, in dem sie durch das automatisierte Anhalten sich ungewöhnlich verhaltender Maschinen und Fertigungsstrassen dabei helfen Produktionsfehler zu verhindern. Zusammen mit Andon (行灯), den von Menschen ausgelösten Fertigungsstops, gehören sie zu den wichtigsten Qualitätssicherungs-Massnahmen im Lean Management.


Über diese Fertigungs-Ursprünge hinaus kommt Jidōka mittlerweile (allerdings in der Regel ohne diesen Namen) auch in rein digitalen Anwendungen oder in kombinierten Hardware/Software-Produkten vor. Ein Beispiel dafür sind die Warnungen und Not-Abschaltungen von sich überhitzenden Mobiltelefonen, ein anderes die im FinOps-Framework vorhandenen Verhinderungs-Mechanismen von unbeabsichtigt steigenden Cloud-Kosten.


Durch die auf diese Art deutlich beschleunigten Reaktionszeiten ist Jidōka sowohl in der Hardware-Fertigung als auch in der Software-Entwicklung ein guter Weg zu mehr Agilität, Flexibilität und Resilienz. In vielen Fällen ist dieses Konzept sogar so selbstverständlich geworden, dass es gar nicht mehr als bewusst eingerichtete Massnahme auffällt. Vermutlich ist das einer der stärksten Indikatoren für den auf diese Weise erzeugten Mehrwert.


Zuletzt noch einmal zu der Übersetzung. Wenn autonome Automation, intelligente Automation oder Automation mit menschlichem Antlitz nicht wirklich zutreffende Übersetzungen sind, was wäre dann eine? Die vermutlich zutreffendste Erläuterung kommt aus der Wikipedia: "Der Begriff geht auf ein Wortspiel Taiichi Ōnos zurück, der im Begriff Jidoka (自動化 für Automation) dem darin enthaltenen Wort für Bewegung (動) das Personenradikal 人 mit der Bedeutung „Mensch“ hinzufügte." Nun ja. Vielleicht muss man auch nicht bei Allem versuchen es ins Deutsche zu übertragen.

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