Beyond Budgeting
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Die agile Produktentwicklung hat Vieles nachhaltig verändert: den Umgang mit Abnehmern und Kunden, die Durchführung der Qualitätssicherung, die handwerklichen Praktiken der Softwareentwicklung und vieles mehr. Ein zentraler Bereich der Unternehmensführung ist allerdings eher unberührt geblieben - der Budgetierungsprozess. Glücklicherweise gibt es aber hier einen kompatiblen, zeitgleich entstandenen Ansatz, der diese Lücke füllen kann. Die Rede ist von Beyond Budgeting.
Ähnlich wieim Fall von #NoEstimates steht hinter Beyond Budgeting eine überzeugte (und in verschiedenen Firmen hoch erfolgreiche) Community, nach aussen sorgt die etwas unglückliche Namensgebung aber dafür, dass es oft gar nicht erst zu einer näheren Beschäftigung mit diesem Ansatz kommt. Dabei soll hier keineswegs der Budgetierungsprozess abgeschafft werden, er soll erhalten bleiben, nur eben deutlich verbessert.
Dieser Verbesserungsbedarf wird aus verschiedenen problematischen Aspekten der klassischen Budgetierung abgeleitet. Dazu gehört vor allem die Fixierung auf die Planung für jeweils das nächste Kalenderjahr, die am Anfang zu langfristig und am Ende zu kurzfristig ist, aber auch weitere übliche Praktiken, etwa die in dieser Jahresplanung oft enthaltene Vermischung von Prognosen und Zielen oder die Kopplung von Gehaltsbestandteilen an aus diesen Jahreszielen abgeleitete persönliche Ziele.
Über diese Budgetierungs-nahen Grundlagen hinaus sind nach und nach weitere Kritikpunkte an häufigen Elementen des traditionellen Budget-Managements in Beyond Budgeting aufgenommen worden, etwa an dem Nicht-Weitergeben von Informationen in die Belegschaft, an zu detaillierter Regulierung von Arbeitsprozessen, an zu bürokratischen Reporting-Strukturen und an der Optimierung auf interne Effizienz statt auf Nutzen für den Endkunden.
Bei der Antwort auf die Frage wie all das besser organisiert werden könnte bleibt Beyond Budgeting absichtlich unklar, da zu konkrete Empfehlungen in vielen Einzelfällen nicht passen würden, zumindest wurden als Richtlinie aber zwölf leitende Prinzipien verfasst:
- Purpose
Engage and inspire people around bold and noble causes; not around short-term financial targets - Values
Govern through shared values and sound judgement; not through detailed rules and regulations - Transparency
Make information open for self-regulation, innovation, learning and control; don’t restrict it - Organisation
Cultivate a strong sense of belonging and organise around accountable teams; avoid hierarchical control and bureaucracy - Autonomy
Trust people with freedom to act; don’t punish everyone if someone should abuse it - Customers
Connect everyone’s work with customer needs; avoid conflicts of interest - Rhythm
Organise management processes dynamically around business rhythms and events; not around the calendar year only - Targets
Set directional, ambitious and relative goals; avoid fixed and cascaded targets - Plans and forecasts
Make planning and forecasting lean and unbiased processes; not rigid and political exercises - Resource allocation
Foster a cost conscious mind-set and make resources available as needed; not through detailed annual budget allocations - Performance evaluation
Evaluate performance holistically and with peer feedback for learning and development; not based on measurement only and not for rewards only - Rewards
Reward shared success against competition; not against fixed performance contracts
Um die Idee greifbarer zu machen gibt es mittlerweile neben diesen Leitlinien aber auch verschiedene Good Practices, die in verschiedenen Büchern zu diesem Thema nachzulesen sind.
Die naheliegende erste Praktik ist eine rollierende Planung anstelle einer Kalenderjahr-basierten. Das kann in der Realität so aussehen, dass zwar fünf Quartale im Voraus geplant wird, dass diese Planungen aber nach jedem Quartal überprüft und angepasst werden. Dadurch entfernt sich die Umsetzung nie länger als drei Monate von der Planung, gleichzeitig wird vermieden, dass der Planungsvorlauf zu Jahresende nur noch wenige Wochen beträgt.
Ebenfalls häufig ist die Entkoppelung von Prognose und Zielsetzung. In den Prognosen für den jeweiligen Planungszeitraum wird nur berücksichtigt was wahrscheinlich ist, das was wünschenswert ist (die Ziele) wird in einem zweiten, getrennten Dokument festgehalten. Das gilt auch dann (und sogar ganz besonders dann) wenn die wahrscheinlichen Zahlen unschön oder sogar bedrohlich sind. Sie zu verändern nur weil andere Zahlen schöner wären ändert schliesslich die Sachlage nicht.
Auch bei den Zielen (sowohl bei Geschäftszielen als auch bei Zielen von Personen oder Personen-Gruppen) ist eine kontinuierliche Setzung und Nachverfogung besser als eine Orientierung am Jahresrhythmus. Das bedeutet nicht zwingend, dass sie nur für kürzere Umsetzungszeiträume gesetzt werden, z.B. für Monate oder Quartale. Sie können auch für längere Zeiträume gesetzt werden, müssen dann aber in kurzen Zyklen immer wieder überprüft und an aktuelle Entwicklungen angepasst werden.
Auch bei der Art der Zielsetzung bevorzugt Beyond Budgeting eigene Wege. Statt zahlengebundener Ziele (z.B. Gewinn-Volumen oder Anzahl an Geschäftsabschlüssen) findet man eher relative Ziele, also solche, deren Zielsetzung es ist besser zu sein als eine Vergleichsgruppe. Das kann bedeuten, dass eine ganze Firma sich das Ziel setzt besser zu sein als der Marktdurchschnitt, es kann aber z.B. auch bedeuten, dass eines von 50 Vertriebsteams sich das Ziel setzt zu den besten 10 zu gehören.
Für jeden der in seiner Organisation die agile Transition ganzheitlich vorantreiben will ist Beyond Budgeting daher ein sehr zu empfehlender Ansatz. Und wenn die Namensgebung als zu kontrovers wahrgenommen werden sollte - man kann es auch agile Budgetierung nennen, wichtig ist, dass die dahinter stehenden Ideen umgesetzt werden, nicht der Name.