Donnerstag, 4. August 2022

Scrum Shots

Bild: Pixabay / MasterTux -

Heute gibt es mal wieder einen kleinen Erfahrungsbericht aus dem Arbeitsalltag eines Agile Coaches. Konkret geht es um ein alternatives Format zur Vermittlung von Methodenwissen. In diesem Fall von Scrum, das Vorgehen liesse sich aber auch für jedes andere Vorgehensmodell anwenden. Und um es gleich zu Beginn klarzustellen: die Idee ist zum Ausprobieren empfohlen, eine Blaupause die man einfach in grossem Ausmass auf alle Teams ausrollen sollte ist es aber nicht.


Um mit dem Hintergrund zu beginnen: vor einiger Zeit hat ein Kollege aus meiner Firma einen Kunden-Einsatz an mich übergeben zu dem auch die Begleitung eines relativ neuen Teams gehört. Das Team möchte nach Scrum arbeiten, hat aber relativ wenig Erfahrung mit diesem Framework. Normalerweise würde sich in so einem Fall eine initiale Methodenschulung anbieten, zu der es aber aus irgendeinem Fall nicht gekommen ist.1 Stattdessen findet ein Training on the Job statt.


Um in diesem Rahmen Methodenwissen vermitteln zu können wurde im Team ein neues Format entwickelt, die so genannten "Scrum Shots". Dabei handelt es sich um kurze, fünfzehnminütige Sessions direkt nach dem Daily Scrum, in denen auf jeweils einen Askpekt des Frameworks eingegangen wird. Wegen der kurzen Zeit- und Themenmenge wurden sie nach den Shot-Gläsern benannt, deren Inhalt zwar ein geringes Volumen aber dafür eine hohe Wirksamkeit hat.


Zum Ablauf: auf einer (digitalen) Themenwand befinden sich Karten, die den 25 Abschnitten des aktuellen Scrum Guide entsprechen (Version von 2020). Am Ende jedes Scrum Shots wird vom Team per Dot-Voting darüber abgestimmt welches dieser Themen beim nächsten mal behandelt werden wird. Das wird dann von mir (bzw. vorher von meinem Vorgänger) vorbereitet und beim nächsten mal vorgestellt und gemeinsam diskutiert.


Die Art der Themenvorstellung kann sich je nach Einzelfall unterscheiden. Da wo es bisher nur oberflächliche Berührungspunkte gab macht z.B. eine grundlegende Einführung Sinn, bei Punkten die nach Schnelleinführung bereits etabliert wurden und bei denen sich bereits erste Routinen etabliert haben geht es vertieft hinein (im Fall des Daily Scrum beispielsweise in den Aspekt, dass es auch dafür gedacht ist den Fortschritt zur Erreichung des Sprint Ziels zu diskutieren).


Gegebenenfalls können darüber hinaus auch Aspekte eingefügt werden die nicht direkt aus dem Scrum-Regelwerk kommen, es aber verständlicher machen oder dessen Implikationen aufzeigen. Im Fall des Product Backlog bedeutet das etwa, dass seine wörtliche Bedeutung (der Rückstau) herausgestrichen wird, im Fall des Transparenzprinzips lässt sich diskutieren wie weit das gehen muss, zum Beispiel ob es auch auf Geschäftszahlen (inclusive der Gehälter) angewandt werden sollte.


Der Nachteil im Vergleich zu einer grösseren Schulung zu Beginn ist, dass am Anfang der Einsatz von noch nicht (oder nur verkürzt) erklärten Scrum-Elementen zu Missverständnissen führen kann, die sich schlimmstenfalls in nicht zielführenden Routinen niederschlagen können. In diesem Fall ist das zum Glück nicht passiert, bei zukünftigen Anwendungen in anderen Teams sollte man sich aber bewusst machen, dass es dazu kommen kann.


Der Vorteil ist auf der anderen Seite, dass die kontinuierliche Beschäftigung über längere Zeit dazu führt, dass die Inhalte besser ins kollektive Gedächtnis des Teams übergehen und sich dort festsetzen. Gerade vor dem Hintergrund, dass es ein häufig zu beobachtendes Phänomen ist, dass operative Alltagsthemen die Reflektion und Anwendung von methodischen Aspekten in den Hintergrund drängen, ein nicht zu verachtender Punkt.


Wie am Anfang gesagt, die Idee ist zum Ausprobieren empfohlen, eine Blaupause die man einfach in grossem Ausmass auf alle Teams ausrollen sollte ist sie aber nicht - die erwähnten Risiken zeigen auch auf warum. Sie kann auch variiert werden, z.B. durch Umwandlung in eine öffentliche, teamübergreifende Veranstaltung. Auf jeden Fall ist sie aber eine sinnvolle Option für alle Fälle in denen es aus irgendeinem Grund nicht zu einer initialen Schulung kommen kann.



1Natürlich wurden Termine für Dailies, Plannings, etc. eingestellt, die aber nur sehr kurz erklärt wurden

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