Donnerstag, 11. August 2022

Change Management

Grafik: Wikimedia Commons / Meyers Konversationslexikon - Public Domain

Ein bemerkenswertes Phänomen im Change Management ist die weitgehende Unklarheit darüber was dieser Begriff eigentlich bedeutet. Beide Bestandteile - Change und Management - sind bereits für sich genommen mehrdeutig und weit interpretierbar, zusammengenommen sind sie es erst recht. Als Folge dessen hat sich eine ganze Reihe möglicher Bedeutungen entwickelt, die zum Teil parallel und ohne klare Abgrenzung zueinander verwendet werden. Sie sich vor Augen zu führen und explizit zu machen ist von elementarer Bedeutung wenn man für sich selbst definieren will was eigentlich zu tun ist wenn man von Change Management redet. Hier sind sie:


Veränderungen durchführen

Die technokratische Variante. Die sozialen und psychologischen Dimensionen von Veränderungsvorhaben werden nicht gesehen oder bewusst ignoriert. Für Fragen und Proteste ist keine Anlaufstelle vorgesehen, Kommunikation beschränkt sich auf die Verkündung von Stichtagen an denen Veränderungen in Kraft treten. Kritisch zu sehen, da sich Probleme und Emotionen immer weiter aufstauen und selbst offensichtliche Fehlentwicklungen aufgrund fehlender Feedbackkanäle nicht bemerkt werden können.


Veränderungen durchsetzen

Die rabiateste Variante, gleichzeitig aber auch eine die in klassischen Organisationen noch immer sehr häufig ist. Meistens getrieben von einem Menschenbild in dem Mitarbeiter "zu ihrem Glück gezwungen werden müssen" oder in dem ihnen Destruktivität unterstellt wird, werden Veränderungen mit Befehlen, Drohungen und Bestrafungen in die Organisation hineingezwungen. In der Wissensarbeit ein hochgradig kontraproduktiver Ansatz, da er in der Regel zu dysfunktionalem "Dienst nach Vorschrift" führt.


Veränderungen erträglich machen

Die abgeschwächte Form des Durchsetzens. Statt mit Befehlen oder Strafen wird mit anderen Mitteln gearbeitet, vor allem mit ausgleichenden Belohnungen (Boni, kostenloser Kaffee, modernere Büros, etc.), oder mit dem in Aussicht Stellen von bald folgender Ruhe und Sicherheit ("Wenn Ihr das mitmacht sind für erste alle Personalabbaupläne vom Tisch"). Dieses Vorgehen kann zwar Widerstände dämpfen, kann aber nicht verhindern, dass Unzufriedenheiten unterschwellig erhalten bleiben.


Veränderungen verkaufen

Verkaufen ist hier gemeint im Sinn von Vermarkten. Das kann passieren durch die Suggestion von Notwendigkeit oder Modernität ("Nur so bleiben wir wettbewerbsfähig", "Google macht das auch so") oder durch emotionale Vereinnahmung ("Und jetzt alle: Tschakka, wir schaffen das!"). Dosiert eingesetzt kann es durchaus wirkungsvoll sein, bei häufigem oder regelmässigen Einsatz kommt es aber schnell zu Gewöhnungs-, Abstumpfungs- oder Abstossungs-Effekten.


Veränderungen aushandeln

Ab hier beginnt eine Begegnung auf Augenhöhe, wenn auch noch eher in Form eines Kuhhandels. "Was müssten wir für Euch tun, damit Ihr Euch umgekehrt an den Veränderungen beteiligt?" Solche und ähnliche Verhandlungen treiben die Veränderungen voran, sorgen aber auch dafür, dass nicht mehr die Sinnhaftigkeit des Neuen im Vordergrund steht sondern die zu erwartende Gegenleistung. Kann zu einer "für Geld machen wir alles, auch wenn es sinnlos ist"-Einstellung führen.


Veränderungen gemeinsam gestalten

Schon ein sehr moderner Ansatz. Dass Veränderungen stattfinden müssen wird zwar noch als gegeben hingenommen, in welcher Form, in welchem Zeitraum und von wem sie umgesetzt werden wird aber bereits weitgehend delegiert und dezentral umgesetzt. Zu beachten ist, dass Mitarbeiter ohne entsprechende Vorkenntnisse bei der Umsetzung in die Autonomie-Falle tappen können und daher zu Beginn ggf. Unterstützung brauchen.


Veränderungsbedarfe gemeinsam suchen, bewerten und darauf reagieren

State of the Art in agil arbeitenden Organisationen. Im Rahmen der üblichen Inspect & Adapt-Prozesse wird kontinuierlich und dezentral ermittelt ob und wo Veränderungen notwendig sind, dort wo das der Fall ist wird möglichst dezentral und selbstorganisiert darauf reagiert (hilfreich sind dabei transparente Regelungen wann Zentralisierungen doch Sinn machen können, z.B. diese hier). Häufige agile Praktiken sind Retrospektiven und Kaizen-Prozesse.


Veränderungen kontrolliert verursachen und institutionalisieren

Die post-moderne Endausbaustofe. Es wird nicht mehr darauf gewartet, dass Veränderungsbedarfe irgendwo entdeckt werden, stattdessen werden die eigenen Prozesse und Strukturen immer wieder durch kontrollierte Experimente und Belastungstests verändert, überprüft und angepasst. Zwar lässt sich nicht alles voraussehen, viele Veränderungsnotwendigkeiten und Verbesserungspotentiale können so aber im voraus erkannt und ohne Zeitdruck umgesetzt werden.


Wie bei anderen Begriffsdifferenzierungen gilt auch hier, dass noch zahllose weitere Abstufungen möglich sind, und natürlich kann in jedem dieser Fälle die Ausgestaltung nochmal sehr unterschiedliche Formen annehmen. Dennoch bietet diese Übersicht gute Anhaltspunkte wenn man Change Management-Massnahmen plant - und auch wenn man die analysieren will von denen man gerade betroffen ist.

Related Articles