Montag, 21. März 2022

Die Diktatoren-Falle

Bild: Wikimedia Commons / Museo del Templo de Santo Domingo de Guzmán - Public Domain

Ein Blick über den Telerrand kann interessante Inspirationen bringen. Auf The Atlantic schreibt Brian Klaas über die Dictator Trap, hinter der sich verbirgt, dass die Inhaber bedeutender Machtpositionen gefährdet sind die Realität nur noch gefiltert wahrnehmen zu können, mit schlechten Entscheidungen als Folge. Was beim Lesen ins Auge fällt: vieles von dem was Klaas hier beschreibt trifft auch auf Manager in grossen Firmen zu.


Um mit einem Disclaimer anzufangen: natürlich ist nicht jeder Manager ein Autokrat, es gibt auch solche die einen jener Führungsstile pflegen die als "lateral", "partizipativ" oder "auf Augenhöhe" bezeichnet werden. Sehr viele setzen aber in ihrer Berufsausübung stark auf einsame Entscheidungen, Einweg-Kommunikation, direktive Führung und Absonderung von der "Ausführungs-Ebene".1 Um diese zweite Gruppe soll es hier gehen.


Wie so häufig steht auch hier am Anfang eine rationale Entscheidung: wer neu in eine zentrale Position aufgerückt ist will sich meistens mit Mitstreitern umgeben die die eigenen Ziele und Überzeugungen teilen, umgekehrt macht es Sinn sich von Menschen mit gegenläufigen Zielen und Ansichten zu trennen.2 Das sorgt zu Beginn für grössere Handlungsfähigkeit, steigert aber das Risiko, dass Group Think entsteht und auch relevante abweichende Einwände unter den Tisch fallen.


Selbst dort wo sogar die ähnlich denkenden Unterstützer der Meinung sind, dass eine getroffene Entscheidung falsch ist, wird Widerspruch mit der Zeit immer weniger stattfinden. Wenn die eigene Karriere auf das Wohlwollen des Chefs angewiesen ist, ist es naheliegend von jetzt an dessen Ansichten zu den eigenen zu machen. Und für den der das irgendwann mit seinen Überzeugungen nicht mehr vereinbaren kann ist es naheliegend zu gehen und bei einem anderen Förderer Karriere zu machen.


Auch das lässt sich aber noch steigern. Wenn falsche Entscheidungen an der Spitze zu Misserfolgen geführt haben kann es sein, dass diese aus Angst um die eigene Karriere oder als Loyalitätsbeweis verschwiegen oder umgedeutet werden - die fehlgeschlagene System- oder Methodenumstellung wird dann nach oben als Erfolg reportet, im Zweifel durch kreative Auslegung und selektive Nutzung von Daten oder Ergebnissen.3 Ein Phänomen das häufiger ist als man denken sollte.


Die Diktatoren-Falle ist damit zugeschnappt. Der Manager an der Spitze hat aus seiner Sicht alles richtig gemacht - sich mit Unterstützern umgeben und diejenigen unter ihnen gefördert die Erfolgsmeldungen statt ständiger Bedenken vorgetragen haben. Das Ergebnis ist aber eine Abkoppelung von der Realität. Probleme und Fehlschläge werden verschwiegen, Erfolge aufgebauscht oder künstlich konstruiert. Und wenn dieses Konstrukt irgendwann zusammenbricht ist es für ihn überraschend.


Um dieser Situation zu entgehen gibt es verschiedene Wege. Einer besteht darin, sich bewusst mit einigen kritischen Geistern zu umgeben, die auch dezidiert abweichende Meinungen vertreten. Das kann zwar die Tendenz zum Groupthink aufbrechen, führt aber häufig dazu, dass nur wenige "Hofnarren" das Recht haben unsanktioniert zu widersprechen, während die Dysfunktionen in der umgebenden Organisation erhalten bleiben.


Der erfolgversprechendere Ausweg aus der Diktatoren-Falle ist dagegend verblüffend schlicht - man muss nur aufhören sich wie ein Diktator zu benehmen. Wer Entscheidungen delegiert, kritisches Feedback fördert, Fehler und Misserfolge als Chance zur Verbesserung und zum Lernen sieht und Beförderungs-Entscheidungen versachlicht und von persönlichen Beziehungen trennt, bei dem ist eine Abkoppelung von der Realität deutlich unwahrscheinlicher.


1Warum solche Menschen häufig in Führungspositionen landen wäre nochmal ein Thema für sich
2Natürlich läuft diese Trennung in Unternehmen deutlich zivilisierter ab als in Diktaturen
3Gerade bei "Weichen Themen"wie z.B. Kulturwandel ist das einfach möglich

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