Der Team-Raum
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In der Arbeitswelt beschränkt sich das Hin und Her der Moden und Notwendigkeiten nicht nur auf Tools, Techniken und Methoden sondern betrifft auch Arbeitsflächen und Bürogestaltungen. Verschiedene unserer aktuellen und ehemaligen Kunden gestalten gerade nach einer längeren Phase der Heimarbeit ihre Büros neu, um Präsenzarbeit wieder zu ermöglichen. Eine zentrale Frage dabei: wie soll die ideale Arbeitsumgebung für ein agiles Team aussehen?
Als jemand der schon einige Firmen von innen gesehen hat darf ich Impulse und Beratung beisteuern, über die ich hier etwas reflektieren möchte. Um mit dem Wichtigsten anzufangen: Arbeits-Räume und -Flächen sollten meiner Meinung nach nichts sein, das möglichst stark optimiert wird, d.h. bei dem eine möglichst hohe Auslastung angestrebt wird. Die mag zwar verlockend sein um Kosten zu sparen, in der Realität führt sie aber in schlechte Arbeitsbedingungen und Produktivitätsverluste.
Das heisst natürlich nicht, dass wirtschaftliche Betrachtungen hier nicht sinnvoll sind, gerade aus einer wirtschaftlichen Sicht ist eine zu starke Optimierung aber nicht zielführend. Das in Nutzungs-optimierten Grossraum-Büros übliche eng gedrängte Sitzen, das lange Suchen nach freien Plätzen und die Verteilung von Teams über die gerade freien Plätze führen in einem Ausmass zu Effektivitäts-Verlusten, dass Kostenersparnisse dadurch wieder aufgefressen werden (mehr dazu steht hier).
Was dagegen sinnvoll ist, ist ein Arbeitsraum in dem ein Team durchgehend gemeinsam sitzen und arbeiten kann, der gross und hell genug ist um kein Gefühl der Beengung aufkommen zu lassen, nach aussen schallgeschützt ist und ständig verfügbare Rückzugs- oder Konzentrationsbereiche bietet. Bei den letzten sollte es sich explizit um keine allgemein buchbaren Meetingräume handeln (die dadurch meistens nicht kurzfristig verfügbar sind) sondern um eine Erweiterung des Team-Raumes selbst.
Derartige Räume wurden bereits in den 90er Jahren im Extreme Programming beschrieben, von agilen Pionieren wie Ken Schwaber und Martin Fowler empfohlen und haben später sogar ihren Weg zu SAFe gefunden, ich selbst habe sie schon in verschiedenen Variationen erlebt. Ein sehr guter Aufbau derartiger Arbeitsflächen könnte so wie in der folgenden Grafik zu sehen:*
Die zentralen Elemente sind sofort erkennbar: die grosse gemeinsame Tischgruppe an der das Team zusammenarbeiten kann (mit freien Plätzen für Onsite Customer o.Ä.), das schallgeschützte Séparée für Pair Programming, Telefonate oder 1:1-Gespräche und die Fläche für Stand up-Meetings vor einem Whiteboard oder Bildschirm. In anderen Varianten kann die letztgenannte Fläche auch Teil des Arbeitsraumes sein, so dass das Board von den Arbeitsplätzen aus durchgehend sichtbar ist.
Zu beachten ist, dass diese Raum-Anordnng von einer Konstellation ausgeht in der alle Team-Mitglieder regelmässig gemeinsam ins Büro kommen können und wollen. Aber auch da wo Teile der Teams zu anderen Standorten gehören oder viel von zu Hause aus arbeiten sind Teamräume möglich. z.B. so wie die in dieser Darstellung:*
Was man hier erkennt sind kleinere Tischgruppen, deren Achse auf einen grossen Wand-Bildschirm mit eingebauter Kamera ausgerichtet ist. Dadurch ist es möglich geografisch entfernte Kollegen im Raum sichtbar zu machen und auch für diese als Team sichtbar zu sein. Ihre Einbindung in implizite und beiläufige Kommunikation wird so wieder möglich. Séparées für Pairing und Telefonate gibt es auch hier, in diesem Beispiel gemeinsam von zwei Teams genutzt.
Egal welche dieser Varianten (zu denen natürlich noch zahllose weitere dazukommen) man vorstellt, die Reaktion ist zu Beginn in den meisten Fällen die gleiche: das geht so nicht, es ist zu teuer, zu gross, zu aufwändig einzurichten. Und tatsächlich ist es so - die meisten Firmen müssten Geld in die Hand nehmen um ihre Gebäude entsprechend umzubauen, viele müssten sogar umziehen und neu bauen. Sind derartige Büro-Konzepte damit überhaupt noch realistisch?
Die Antwort: natürlich sind sie es, wenn die Unternehmen denn in ihnen einen Wert erkennen. Und Wert ist auch ein entscheidender Punkt in den dazugehörigen Überlegungen. Was wird mehr wertgeschätzt, eine möglichst effiziente Flächennutzung oder eine effektivitätsfördernde Arbeitsumgebung? Und worin wird der grössere Mehrwert erkannt, in einem möglichst kleinen Budget für Mieten oder in gut ausgestatteten Mitarbeitern, die ihren Job motiviert (und damit auch schnell und gut) erledigen?
In vielen Fällen wird es so sein, dass tatsächlich die optimale Flächennutzung und die möglichst geringen Kosten für die Büro-Räume in der Priorität weiter oben stehen als das ungestörte und motivierte Arbeiten der Teams. Dort wo das der Fall ist wird das bessere Büro-Design allerdings auch nicht der nächste Schritt auf dem Weg zum agilen Arbeiten sein, da sind andere viel, viel grundlegender und dringender.