Kommentierte Links (LXXXII)
Leicht verfrüht: die Kommentierten Links des Dezembers zu interessanten, kontroversen, tiefgründigen oder aus anderen Gründen lesenswerten Artikeln. Am letzten Tag dieses Monats folgt wie in den letzten Jahren eine weitere Ausgabe, dann mit den Artikeln die es zu Unrecht nicht in die Kommentierten Links der vergangenen Monate geschafft haben.
Dieser Artikel ist Fortsetzung von Marty Cagans
Process People-Debattenbeitrag vom letzten Oktober, der wegen seiner sehr kritischen Ausrichtung gegenüber der Product Ops-Bewegung zu einem kleinen Sturm im Produktmanagement-Wasserglas geführt hat. Bereits damals
hatte er angekündigt seine Aussagen auszudifferenzieren und aufzuzeigen, dass es sowohl hilfreiche als auch schädliche Varianten gibt, hier ist jetzt das Ergebnis. Welche dieser Varianten sich langfristig als (mehr oder weniger) verbindliche Definition von Product Ops durchsetzen wird bleibt abzuwarten, als Momentaufnahme ist seine Übersicht aber hochinteressant.
Das was Tim Ottinger hier festgehalten hat ist eine überraschend naheliegende aber trotzdem im Prozess- oder Projektmanagement eher seltene Begründung dafür, dass man parallele Arbeit vermeiden sollte: dadurch dass mit jeder weiteren parallel durchgeführten Arbeit die Zahl der am Fortschritt interessierten Stakeholder steigt, steigt auch die Zahl der Störungen und Unterbrechungen denen man ausgesetzt ist, da immer mehr Menschen sich nach Zwischenständen erkundigen. Da diese Unterbrechungen Zeit in Anspruch nehmen und die Konzentration stören verlangsamt der Fortschritt sich. Das kann eigentlich keiner wollen.
An dieser Stelle folgt ein kurzer Exkurs in die Philosophie. Aufbauend auf den "Ethics of Belief" von William Kingdon Clifford (
"It is wrong always, everywhere, and for anyone, to believe anything upon insufficient evidence") greift Bob Marshall einen der am häufigsten diskutierten Kritikpunkte an der agilen Produktentwicklung auf: es gibt kaum empirische Belege für ihre grundsätzliche Überlegenheit über die "klassischen Ansätze" (
mehr dazu hier), weshalb man jeden Einzelfall gesondert betrachten muss. Diese Einzelfallbetrachtungen vermisst Marshall in den von ihm beobachteten agilen Transitionen, weshalb er ihnen (angelehnt an Clifford) unethische Beweggründe unterstellt. Ironischerweise wären auch seine eigenen Ausführungen bei konsequenter Anwendung der Ethics of Belief unethisch (da lediglich auf subjektiver Wahrnehmung beruhend), ein guter Denkanstoss sind sie aber trotzdem.
Der Titel dieses Artikels ist leider etwas missverständlich. Anders als man ausgehend von ihm denken könnte beschreibt Karl Scotland hier nicht wie vorhersagbar Agilität ist (was alleine schon semantisch und grammatisch ein Ding der Unmöglichkeit ist) sondern welche Indikatoren Rückschlüsse darauf zulassen, dass die Anwendung agiler Praktiken und Frameworks zu Prozessverbesserungen geführt hat. Wichtig dabei ist, dass es sich bei den von ihm gesammelten Beispielen nicht um generalistisch anwendbare Regeln und Beweise handelt sondern eben um das was Indikatoren sind - hilfreiche Hinweise, die aber noch zusätzlicher Validierung bedürfen. Als solche verstanden können sie aber dazu beitragen den Erfolg agiler Transitionen überprüfbar zu machen.
Dass Kanban als "Open Source-Methode" kein wirkliches Richtig und Falsch kennt hatte ich
schon einmal aufgeschrieben, Auflistungen von "Kanban-Mythen" sollte man immer mit diesem Vorbehalt im Hinterkopf lesen. Trotzdem haben die von Matt Philip aufgeführten Punkte aber ihre Berechtigung, schliesslich sind sie so unsinnig, dass sie auch bei wohlwollender Betrachtung keinen Sinn ergeben. Um so bemerkenswerter ist ihre Verbreitung, jeder dieser Mythen ist auch mir bereits wiederholt begegnet.