Scaled Agile: Big Room Planning
Bild: Flickr / Marco Verch - CC BY 2.0 |
Es gilt als eines der Erkennungsmerkmale von SAFe, ist aber als verbreitete Praktik auch in anderen agilen Skalierungsframeworks zu finden, und sogar in manchen klassisch aufgestellten Organisationen als Teil ihrer Jahres- oder Quartalsplanung. Die Rede ist vom Big Room Planning oder BRP (mittlerweile in SAFe in PI Planning umbenannt), einer Veranstaltung die genutzt wird um die Backlogs oder Roadmaps der beteiligten Teams aufeinander abzustimmen.
Wichtig zu seinem Verständnis ist, dass es aus puristisch agiler Sicht eigentlich Ausdruck einer Dysfunktion ist, bzw. diese kompensiert. Agil arbeitende Teams sollen möglichst crossfunktional sein, d.h. alle zum Abschluss ihrer Vorhaben nötigen Fähigkeiten und Berechtigungen selbst besitzen. Dort wo das gegeben ist gibt es für übergreifende Planungsstrukturen keine Notwendigkeit. Da das in der Realität oft aber nicht gewollt oder möglich ist wurde das Big Room Planning erfunden.
Als eine agile Praktik wird es deshalb angesehen, weil es zwei Sachen anders macht als traditionelle Planungspraktiken. Zum einen werden von einander abhängige Arbeitspakete nicht sequentiell abgearbeitet (wie häufig in Gantt-Charts zu sehen) sondern weitgehend parallelisiert. Die zusammengehörigen Aufgaben werden dabei von den Teams in den selben Sprints oder Wochen eingeplant um bereits in ihnen zusammengeführt und integriert zu werden.
Das zweite agile Merkmal der Big Room Plannings ist, dass die Koordination der Teams nicht von einem dafür zuständigen Management übernommen wird sondern von den jeweiligen Teammitgliedern selbst. Um das möglich zu machen führen die beteiligten Teams ihre Planungsaktivitäten gemeinsam in einem grossen Raum durch (daher der Name)1 um sich bei Bedarf schnell besuchen und unbürokratisch miteinander abstimmen zu können.
Ein typischer Ablauf sieht so aus, dass bereits im Vorfeld grob geklärt wurde welche Arbeitspakete externe Zulieferungen benötigen (ggf. in teamübergreifenden Refinements). Basierend darauf können diese in einer initialen teamübergreifenden Vorstellungsrunde hervorgehoben werden, wodurch der Bedarf klargemacht wird. Zusätzlich können alle anderen überprüfen ob auch sie ebenfalls davon betroffen sein könnten.
In einer ersten Planungsrunde erarbeitet und priorisiert danach zuerst jedes Team für sich die eigenen Anforderungen und Zulieferungen, in einer zweiten Phase werden diese Ergebnisse den anderen Teams mitgeteilt und diesen wird die Möglichkeit zu Feedback und Änderungsvorschlägen gegeben, in einer dritten passt jedes Team basierend darauf seine Pläne an. Dieser Wechsel von Einzelplanung und Abstimmung kann so lange wiederholt werden bis ein gemeinsamer Plan herauskommt.
Als zusätzlicher Effekt können durch ein Big Room Planning nicht nur die Umsetzungs- sondern auch die Planungszeiträume deutlich verkürzt werden. Die teamübergreifend gemeinsame Terminierung, die direkte Kommunikation und die kurzen Wege können in Stunden oder Tagen ermöglichen, was vorher mitunter Wochen und Monate gedauert hat.2 Natürlich unter der Voraussetzung, dass alle Mitglieder aller beteiligten Teams für die gesamte Dauer der Veranstaltung zur Verfügung stehen.
Bereits für eine effizientere Durchführung der Planungen für bestehende Teams kann ein Big Room Planning auf diese Weise einen erheblichen Mehrwert liefern, zu einer nachhaltigen Agilisierung des Unternehmens trägt es aber paradoxerweise dadurch bei, dass es sich selbst nach und nach abschafft. Die in ihm offensichtlich werdenden Abhängigkeiten lassen sich nämlich festhalten und auf langfristige Muster untersuchen, die dann grundlage für Prozessverbesserungen sein können.
Wenn beispielsweise alle Teams jedesmal von einem einzelnen abhängen kann überlegt werden dessen Skills und Berechtigungen auf die anderen zu übertragen (wenn es ein Spezialistenteam ist) oder seine Systeme für die Bearbeitung durch andere zu öffnen (wenn es ein Komponententeam ist). Andere denkbare Verbesserung wären die Vergrösserung von Flaschenhals-Teams oder das Aufteilen eines Teams (und seiner Systeme) analog zu fachlichen Domänen.
Als Folge derartiger Optimierungen werden Big Room Plannings häufig mit der Zeit kleiner oder teilen sich in voneinander unabhängige "Small Room Plannings" auf. Umgekehrt kann ein mit der Zeit immer grösser werdendes Big Room Planning ein Zeichen dafür sein, dass die Zahl der Abhängigkeiten zwischen den Teams wächst und die Gesamtorganisation dadurch schwerfälliger wird. Sicherlich eine weitere interessante Transitionsmetrik.
2Ich habe einen Fall erlebt bei dem in zwei Tagen geklärt wurde was zuvor immer ca. ein dreivierteljahr gedauert hatte.