Ist der Scrum Master eine Teilzeitstelle?
Bild: Akson / Unsplash - Lizenz |
Zu den immer wiederkehrenden Diskussionen bei nahezu jeder Scrum-Einführung gehört die um die Frage ob der Scrum Master eine Vollzeitstelle ist ob diese Rolle auch in Teilzeit ausgefüllt werden kann. Während die meisten Agile Coaches und auch die meisten Scrum Master selbst das verneinen würden ist in den meisten Organisationen die sich an agilem Arbeiten versuchen die Versuchung gross es doch zu probieren, schliesslich liesse sich dadurch einiges an Budget sparen.
Das Problem bei derartigen Versuchen ist, dass damit mittlerweile ein gewisses Stigma verbunden ist. Wer auch immer seinen Scrum Mastern die Vollzeitstelle verweigert gerät in den Ruf es mit der Agilität nicht ernst zu meinen oder sie (bewusst oder unbewusst) kaputtzusparen. Um diesem Stigma zu entkommen werden mittlerweile alle Fälle in denen ein bekannter Agilist sich für den Teilzeit-Scrum Master ausspricht von interessierter Seite demonstrativ hervorgehoben. So auch dieser hier:1
Oh ha. Einer der beiden Väter von Scrum sieht den Scrum Master als halbe Stelle? Seit einiger Zeit wird dieses Zitat immer wieder in der agilen Filterblase und darüber hinaus weitergereicht und geteilt, scheint es doch der dominierenden Meinung mit der grösstmöglichen Methoden-Autorität zu wiedersprechen die dieses Framework zu bieten hat. Wie immer empfiehlt sich aber auch hier ein näherer Blick. Was steckt wirklich in diesem Zitat?
Zunächst lohnt es sich auf ein kleines Wort aufmerksam zu machen. Laut Sutherland sind die meisten guten Scrum Master ("great Scrum Masters") die er kennt in Teilzeit unterwegs. Darin steckt mehr als es zunächst scheint - ein Scrum Master ist nicht als Person gut oder schlecht, er ist es im Kontext seines Teams, dessen Teil er schliesslich ist (siehe hier). Und da gute Teams wenig betreuungsintensiv sind, sind ihre Scrum Master entsprechend weniger gefordert.
Umgekehrt erfordern unerfahrene Teams in der Regel einen eher hohen Betreuungsaufwand des Scrum Masters, bis zu dem Punkt, dass er bestimmte Handlungen nicht zulässt (z.B. das Ausfallen Lassen der Retrospektive um "mehr Zeit für das Arbeiten zu haben"). Damit greift er in die Selbstorganisation der Entwickler ein, und macht dadurch in puristischer Scrum-Interpretation keinen guten Job - was aber auch bedeutet, dass ihn diese (noch) nicht gute Rollenausübung meistens in Vollzeit beansprucht.
Ebenfalls zu beachten ist ein weiterer Aspekt: wie stark auf das Team fixiert ist die Rolle? Im klassischen Scrum findet ein Grossteil der Scrum Master-Tätigkeiten in der umgebenden Organisation statt (was meistens Vollzeit erfordert), nur wenn ihm diese Zuständigkeit genommen und auf andere Rollen übertragen wird bleibt ihm mehr Zeit. Und jetzt kommt's: zu diesen Rollen gehört nicht nur der SAFe-Release Train Engineer sondern auch der "Scrum of Scrums-Master" in Scrum@Scale, dem Skalierungsframework von - Jeff Sutherland. Was für ein Zufall.
Zusammengefasst bedeutet das, dass die Frage nach der Teilzeiteignung der Scrum Master-Rolle nicht klar zu beantworten ist, es gibt Gründe dafür und dagegen, und selbst bei prominenten Fürsprechern für eine der beiden Varianten lohnt sich ein Blick auf die damit verbundenen Motivationen. Vielleicht ist das aber auch das passende Fazit dieser Erwägungen - im Zweifel ist es immer eine gute Idee selbst nachzudenken und nach der individuell passenden Lösung zu suchen. Gerne mit Inspect & Adapt.
Und für alle denen das zu unkonkret ist gibt es eine einfache Faustregel: hätte der Scrum Master auch in Teilzeit ausreichend Ruhe und Zeit um regelmässig aus dem Hamsterrad herauszusteigen und sich Gedanken wie diese hier zu machen? Wenn ja kann er auch eine zweite Aufgabe im Team übernehmen, wenn nicht, dann nicht.