Stacey Matrix
Wenn es irgendwo ein Erklär-Workshop für Agilität gibt kann man Geld darauf wetten, dass sie früher oder später auf einem Flipchart oder einer Präsentationsfolie auftaucht: die Rede ist von der Stacey Matrix, benannt nach dem englischen Wirtschaftswissenschaftler Ralp Douglas Stacey, der sie in den 90er Jahren entwickelte um aufzuzeigen welcher Vorgehens-Ansatz in welchem Umfeld am ehesten Sinn macht. Das ist bis heute ihr Zweck, oft verengt auf die Frage in welchem Umfeld Agilität sinnvoll ist.
Die Variante die dabei am häufigsten gezeigt wird (und die auch weiter oben auf dieser Seite zu sehen ist) trägt ihren Namen allerdings nicht völlig zu Recht. Es handelt sich bei ihr lediglich um eine modifizierte und stark vereinfachte Variation des ursprünglichen Modells, die um das Jahr 2000 von der kanadischen Organisationsforscherin Brenda Zimmermann entwickelt worden ist (und daher eigentlich Zimmermann-Matrix genannt werden müsste).
Dass die Zimmermann-Variante sich durchgesetzt hat und nicht das Original dürfte vermutlich an zwei Gründen liegen. Zum einen ist sie aufgrund ihres reduzierten Inhalts einfacher zu erklären, zum anderen wurde sie durch den Scrum-Miterfinder Ken Schwaber popularisiert, der sie 2004 in seinem Buch Agile Project Management with Scrum abbildete. Da heute fast nur noch diese Ableitung genutzt wird soll es im Folgenden um sie gehen. Wer mehr über das Original wissen will erfährt hier mehr.
Die zwei Achsen der Stacey/Zimmermann-Matrix sind das Was (fachliche Anforderungen) und das Wie (eingesetzte Technologie). Beide sind im unteren linken Bereich der Matrix klar, werden aber nach oben, bzw. nach rechts unklarer. Durch die Kombination der beiden sich verändernden Werte entstehen vier Bereiche: Einfach (links unten, Kompliziert (links-untere Mitte), Komplex (rechts-obere Mitte) und Chaotisch (rechts oben). Ihnen werden empfohlene Vorgehensweisen zugeordnet.
Der einfache Bereich ist der in dem am Ehesten klassisches Management mit Hierarchien, Arbeitsteilung und langfristigen Plänen machbar ist. Die Anzahl der beeinflussenden Faktoren hält sich in Grenzen, Änderungen treten selten auf und sind dann in der Regel vorhersehbar (oder selbst herbeigeführt), die Umsetzung erfordert nur geringe Expertise und kann häufig automatisiert werden. Beispiele wären eine Kartoffelernte oder das Bauen einer Ziegelmauer.
Im komplizierten Bereich ist es schon schwieriger den Überblick zu behalten. Es gibt viele kleinteilige Faktoren die sich auch gegenseitig beeinflussen, durch Standardisierung und optimierte Informationsflüsse kann aber auch hier noch nach Plan gearbeitet werden. Beispielhaft dafür sind der Betrieb einer Fabrikstrasse oder einer Systemgastronomie, empfohlene Vorgehensweisen kommen aus dem Lean Management-Umfeld, etwa Kanban oder SixSigma.
Im komplexen Bereich sind Fachlichkeit und Technik so unklar, dass Detail- und Langfristplanung nicht mehr funktionieren. Die Menge der Faktoren und Inputs und die Anzahl ihrer Abhängigkeiten sorgen dafür, dass das System sich ständig unvorhersehbar verhält, etwa in der Produktentwicklung oder in der Kathastrophenhilfe nach Überflutungen, Grossbränden, etc. Am besten können Inspect & Adapt-getriebene Ansätze damit umgehen, etwa die verschiedenen agilen Frameworks.
Der Chaotische Bereich lässt schliesslich überhaupt kein strukturiertes Arbeiten mehr zu, da eine extreme Kleinteiligkeit und Vernetztheit dafür sorgt, dass es nicht mehr möglich ist alles im Blick zu haben und darauf zu reagieren. Beispiele wären unkontrollierte Kettenreaktionen in Kernkraftwerken oder die Weiterentwicklung sehr grosser, alter und schlecht gewarteter Softwäre-Monolithen. Einzig mögliche Vorgehensweisen sind situatives Firefighting, Triage und (wenn möglich) das Abschalten ganzer Systeme.
Wie alle vereinfachten Informationsvermittlungs-Ansätze hat auch die Zimmermann-Variante der Stacey-Matrix Vor- und Nachteile. Zu den Vorteilen gehört die bereits erwähnte einfache einfache Erklärbarkeit und Verständlichkeit, zu den Nachteilen eine so hohe Abstraktion, dass sie auf Kosten der Anwendbarkeit geht. So ist es etwa auch bei grösstem Bemühen nicht möglich zu sagen ab wann Fachlichkeit und Technik so unklar werden, dass der Gesamtzustand von kompliziert zu komplex wechselt.
Wenn man sich dieser Begrenzungen bewusst ist kann diese Matrix aber ein sehr nützliches Werkzeug sein um im Rahmen von Schulungen und Methodeneinführungen aufzuzeigen, dass kaum eine Vorgehensweise überall anwendbar ist, jede aber in bestimmten Kontexten ihre Stärken haben kann. Alleine diese Erkenntnisse können vielen Organisationen bereits weiterhelfen und das Erreichen weiterer, darauf aufbauender Erkenntnisschritte deutlich erleichtern.