Agile Bauprojekte (V)
Bild: Youtube / Jetfox - CC BY 3.0 |
Dass Tesla ein gutes Beispiel dafür ist wie man auch in Bauprojekten agil arbeiten kann hatte ich bereits geschrieben, in welchem Ausmass das der Fall ist erschliesst sich allerdings erst jetzt. Im (grundsätzlich sehr hörenswerten) Podcast The Agile Wire erzählt Joe Justice, der auf Hardware-Scrum spezialisierte Erfinder von eXtreme Manufacturing, von seiner Arbeit für Tesla, und dabei unter anderem davon wie hier "agil gebaut" wird.
Der auf den ersten Blick überraschende erste Schritt bei Bauvorhaben dieser Firma besteht in der Regel daraus, dass am Ort des zukünftigen Gebäudes, bzw. der Gebäudeerweiterung ein Zelt errichtet wird (Hauptlieferant dieser Zelte scheint die Firma Sprung Structures zu sein). Einmal darauf aufmerksam gemacht kann man derartige Behelfsgebäude in Fotos und Videos nahezu jeder Tesla-Fabrik finden. In diesem Zelt wird dann ab dem Tag der Errichtung die Arbeit durchgeführt für die das zukünftige Gebäude vorgesehen ist. Das gilt selbst dann wenn diese Arbeit aus der Fabrikmontage von Autos besteht.
Natürlich kann diese Montage noch nicht mit der Effizienz einer fertigen Fertigungsstrasse stattfinden, vieles muss noch provisorisch vor sich gehen, z.B. mit manueller Arbeit oder durch das Bewegen der Fahrwerke mit Gabelstaplern statt mit Fliessbändern. Das mag auf den Betrachter zunächst erscheinen wie ein Rückschritt in die Frühzeit der Industrialisierung, es dient aber auch einem anderen Zweck als der Effizienzzsteigerung. Es soll so von Anfang an ein funktionierender Wertstrom (→ eine Fertigungsstrasse) existieren, an den das nachträglich dazugebaute Gebäude optimal angepasst werden kann.
Diese Anpassung besteht schliesslich nicht nur daraus den bestehenden Wertstrom bestmöglich zu "ummanteln" sondern soll auch dann noch weitergehen wenn es eine Weiterentwicklung der Fertigungsstrasse in Richtung der Lean Management-typischen kontinuierlichen Flussoptimierung gibt. Mit anderen Worten: da die Fertigungsstrasse immer wieder umgebaut wird kann bei Bedarf auch das umgebende Gebäude umgebaut werden. Möglich wird das durch die Nutzung von Fertigbau-Modulen, mit denen nach und nach das Zelt ersetzt wird und die ggf. gegen andere ausgetauscht werden können.
Das Ausmass dieses Paradigmenwechsels verdeutlicht sich wenn man das hier beschriebene Vorgehen mit traditionell durchgeführten Bauprojekten vergleicht. Bei denen wird ein Gebäude gründlich geplant, über mehrere Jahre gebaut und erst nach Abschluss der Bauarbeiten eingerichtet und bezogen. Die seitdem stattgefundenen Änderungen in Organisation, Markt und Technik sind in diesem Fall kaum noch zu berücksichtigen, was oft dazu führt, dass Neubauten zwar den Bedürfnissen der Vergangenheit entsprechen, denen der Gegenwart aber nicht mehr. Der Tesla-Ansatz ist im Vergleich dazu zeitgemäss im wahrsten Sinn des Wortes.
Dass die bei Tesla übliche Art zu bauen auch ihre Nachteile haben dürfte sollte offensichtlich sein, die zu Beginn fehlende Effizienz gehört sicher dazu, der Verzicht auf ästhetisch anspruchsvolles Gebäudedesign ist ein weiterer, bei näherer Betrachtung dürften sicher noch weitere dazukommen. Wenn diese Nachteile sich im Vergleich zu der gewonnenen Effektivität und Flexibilität als nachrangig erweisen kann dieses "agile Gebäudebauen" aber zu bemerkenswerten Ergebnissen führen. Mit den Worten von Elon Musk: "Heiliger Strohsack!"
Not sure we actually need a building. This tent is pretty sweet. Tesla Grohmann line is in place at Giga & spooling up now. They super kicked ass too. Heiliger Strohsack!
— Elon Musk (@elonmusk) June 19, 2018