Kommentierte Links (LXXI)
Bei diesem Link muss man eine Warnung vorwegschicken: die dahinterliegende Seite hat ein so hässliches Design, dass man sie spontan wieder verlassen möchte. Diesem Reflex zu widerstehen lohnt sich aber, denn Michael Bolton beschäftigt sich dort auf tiefgreifende Weise mit dem Thema fehlgeleiteter Mission Statements von agilen Transformationen. Am Beispiel des unscheinbaren Satzes
“We have to move on to DevOps to be able to release code more often but we also have to increase testautomation in any way we can and minimize manual time consuming testing” zeigt er wie sehr ein eigentlich gut gemeinter Motivationssatz ganze Veränderungsprogramme in eine falsche Richtung schieben - und auch wie dieser Satz besser formuliert werden könnte.
Die
Theory of Constraints (Engpasstheorie) sollte eigentlich
zum Grundwissen von jedem Menschen gehören der in einem agilen oder lean-orientierten Umfeld arbeitet. Irgendwo ist immer der im Moment grösste Engpass der alles aufhält und erweitert werden muss, gewissermassen das schwächste Glied der Wertschöpfungskette. Jeff Gothelf bringt mit diesem Artikel einen neuen Blickwinkel in dieses Thema ein: der nächste Flaschenhals ist nicht zwingend etwas Negatives das beseitigt werden sollte - gegebenenfalls kann er sogar Erfindungsreichtum und Kreativität fördern, wenn er die Teams dazu zwingt sich schlankere und flexiblere Lösungen auszudenken um die begenzte Kapazität des Engpasses zu kompensieren. Ein interessanter Impuls.
Sich zu sehr an sarkastischen Beschreibungen der Pathologien grosser Organisationen zu erfreuen kann ein starker Indikator dafür sein, dass man die innere Mitte verloren hat. Andererseits - die Sammlung von Antipattern die Charles Lambdin hier zusammengetragen hat verdient alleine aufgrund der Expertise verratenden Recherche und der liebevoll kommentierten Kuratierung Aufmerksamkeit. Selbst jemand der sich schon sein gesamtes Berufsleben mit professionellen Dysfunktionen beschäftigt hat wird neue, pointierte Beschreibungen vertrauter (und verabscheuter) Muster finden, zum Beispiel Zumwalt’s Second Law: "No matter what result is anticipated, there is always someone willing to fake it", oder Sevareid’s Law: "The chief cause of problems is solutions". Lesen lohnt sich, danach sollte aber zum Ausgleich etwas Positives konsumiert werden.
Claus Ruhe Madsen fand ich schon interessant seit er es geschafft hat sich als parteiloser Unternehmer zum Bürgermeister von Rostock wählen zu lassen (empfehlenswert sind in dem Zusammenhang seine Updates aus dem Rathaus). Im letzten Jahr hat er darüber hinaus eine weitere bemerkenswerte Leistung vollbracht - seine Verwaltung bekämpft die Corona-Pandemie effektiver als jede andere deutsche Grossstadt. Im Interview mit Tanit Koch kommen einige Gründe dafür zum Vorschein die jedem Agile Coach bekannt vorkommen dürften: schnelles Handeln bei gleichzeitiger Verfolgung eines langfristigen Ziels, pragmatisches Vorgehen und Anpassung der Pläne an die Realität (statt es umgekehrt zu versuchen und die Realität an den Plan anpassen zu wollen).
Dilbert: Every expert says ... [Edit: Link ist mittlerweile tot]
Nochmal zum Thema negative Weltsicht: Eigentlich sollte man die Dilbert-Comics von Scott Adams immer mit einer gewissen Vorsicht lesen, da sie eine sehr zynische, manchmal sogar verbitterte Sicht auf die Arbeitswelt transportieren. Ganz freisprechen kann man auch diesen hier davon nicht, er bringt aber eine wichtige Botschaft auf den Punkt: Expertise beruht auf Erfahrungswerten und sagt daher sehr viel über die Vergangenheit aus. Die Zukunft voraussagen kann man damit aber nicht, da in diese zu viele (noch) unbekannte Faktoren einfliessen.