Update des Scrum Guide 2020
Grafik: Wikimedia Commons / Huluvu424242 - CC BY-SA 4.0 |
Nach drei Jahren ist es wieder soweit, der Scrum Guide hat ein Update erhalten. Nachdem im Vorfeld lediglich bekannt war, dass die neue Version kürzer werden würde als die alte, gab es gespannte Neugier auf das was wegfallen würde und das was dazukommt. Das Warten hat ein Ende, schauen wir uns an wie es gekommen ist.
Die offensichtlichste Neuerung dürfte das Produktziel sein, dass jetzt Teil des Product Backlogs ist. Im weitesten Sinn vergleichbar mit der Produktvision beschreibt es das langfristige Ziel auf das das Scrum Team hinarbeitet und auf das sich das gesamte restliche Product Backlog ausrichten soll. Es wird auch klar herausgestellt, dass es nur ein einziges Produktziel geben soll, womit auch die Hauptmotivation seiner Einführung klar sein dürfte - zusammengewürfelte Sammelsurium-Backlogs sollen unmöglich gemacht werden.
Bei den Rollen gibt es keine wirklichen inhaltlichen Änderungen, allerdings wurden vor allem beim Scrum Master Formulierungen so geändert, dass bestimmte (Fehl-)Interpretationen nicht mehr möglich sind. Es ist jetzt noch deutlicher, dass er nicht nur für das Team zuständig ist sondern für die gesamte Organisation und deren Weiterentwicklung in Richtung Agilität. Zum ersten mal ist er nicht mehr dafür zuständig Impediments selbst zu beseitigen, er muss nur noch dafür sorgen, dass irgendjemand es tut. Und seine Rolle in der Retrospektive ist jetzt deutlich weniger dominant formuliert. Angepasst wurde auch ein Grenzwert: statt 11 soll ein Scrum Team nur noch bis zu 10 Mitglieder haben.
Bei den Meetings hat sich vor allem das Planning in seinem Ablauf verändert. Neben die Phasen in denen der Umfang und die Art der Umsetzung diskutiert werden (früher Planning I und Planning II) tritt eine vorgelagerte dritte (bzw. der neuen Reihenfolge nach erste) Phase in der die Sinnfrage nach dem Zweck des Sprints gestellt und mit dem Sprintziel beantwortet wird. Ebenfalls erwähnenswert: die seit 2017 ohnehin nicht mehr verpflichtenden drei Fragen sind jetzt endgültig aus der Beschreibung des Daily Scrum verschwunden.
Eher für den englischen Sprachraum von Bedeutung dürfte das Ersetzen des Begriffs Self-Organizing durch Self-Managing sein. Die Intention einer klareren Betonung der Selbstbestimmung ist klar, im Deutschen dürfte diese Differenzierung aber kaum einen Unterschied machen1. Auch die Unterscheidung zwischen Role (aus dem Scrum Guide entfernt), Responsibility und Accountability dürfte in Deutschland nur von akademischem Interesse sein.
Zuletzt kommen noch verschiedene redaktionelle Änderungen dazu, zum Teil in Form von klareren Formulierungen, etwa bei den Artefakten Product Backlog, Sprint Backlog und Increment, von dem z.B. jetzt klarer ist, dass es (zum Teil) auch vor Sprintende geliefert werden kann, etwa im Rahmen von Continuous Delivery. Gleichzeitig wurden an einigen Stellen unnötig detaillierte Beschreibungen entfernt, der offensichtlichste Fall dafür dürfte der Sprint-Abbruch sein, der von einem Absatz auf eine Zeile zusammengeschrumpft ist.
Fazit: mit dem Produktziel gibt es eine grosse Änderung die Scrum noch einmal in die richtige Richtung schieben kann, alleine dafür hat sich das Update gelohnt. Der Rest ist gut aber nice to have. Mal sehen wie lange es bis zum nächsten Update dauert.
1Nachtrag: nach einigen Diskussionen zu dem Thema - ja, der 2017er Scrum Guide sagte "Self-organizing teams choose how best to accomplish their work" während der 2020er Scrum Guide sagt "Scrum Teams are [...] self-managing, meaning they internally decide who does what, when, and how." Wie oben gesagt, die Intention einer klareren Betonung der Selbstbestimmung ist klar, einen Paradigmenwechsel erkennt man hier aber vor allem dann wenn man unbedingt einen erkennen will. Auch in der 2017er Version war die Erstellung der (Sprint-)Ziele schon etwas was das Scrum Team selbst gemacht hat.