Montag, 11. Mai 2020

Resilienz

Bild: Pxhere - CC0 1.0
In der besten aller denkbaren Welten können agil agierende Organisationen von grösseren Erschütterungen verschont bleiben. Sobald sich die Realität anders entwickelt als vorher angenommen setzt ein schnelles Inspect & Adapt ein, Strukturen, Abläufe und Produkte passen sich an und die Veränderung wird ohne Krise bewältigt. In der Realität passiert das leider nicht immer. Schwarze Schwäne (Veränderung von vorher nicht vorstellbarer Art und Tragweite) können Unternehmen und ganze Volkswirtschaften völlig aus der Bahn werfen, sei es durch technische Disruptionen, soziale Umwälzungen oder globale Pandemien. Ist das geschehen benötigen sie neben der Agilität eine zweite Eigenschaft: Resilienz.

Hiner diesem aus der Soziologie und der Psychologie übernommenen Begriff (abgeleitet vom lateinischen resilire: abprallen, zurückspringen, nicht anhaften) verbirgt sich die Fähigkeit Störungen, Behinderungen und Krisen zu überstehen ohne dass die grundlegende Funktionsfähigkeit dabei Schaden nimmt. Die Resilienz bildet damit den Gegenpol zur Verletzlichkeit, einem Zustand in dem selbst kleine Störungen zu grossen und bleibenden Schäden führen können. Da Resilienzforschung bereits seit den 50er Jahren betrieben wird gibt es mittlerweile gute Definitionen, anhand derer sich bestimmen lässt bis zu welchem Grad sie ausgeprägt ist.

Eine der bekanntesten stammt aus dem Global Risks Report 2013 des Weltwirtschaftsforums, das sich schon damals (sieben Jahre vor der Covid 19-Pandemie!) mit der Frage beschäftigte wie wirtschaftliche Strukturen beschaffen sein müssen um grosse Krisen mit möglichst geringen Schäden überstehen zu können. Grundlage war die Aufteilung in die Teilbereiche Robustness (Robustheit), Redundancy (Redundanz), Resourcefulness (Erfindungs- und Einfallsreichtum), Response (Reaktionsvermögen) und Recovery (Erholungsvermögen), die wie folgt beschrieben wurden:

  • Robustness
    Robustheit ist die Widerstandsfähigkeit gegen Störungen und Krisen. Sie besteht aus den Unterbereichen Modularität, Transparenz und Anpassungsfähigkeit. Die Modularität eines Systems sogt dafür, dass beschädigte Subsysteme andere nicht mitreissen können, die Transparenz sorgt dafür, dass Probleme früh erkannt werden, die Anpassungsfähigkeit hilft dabei negative Auswirkungen abzuschwächen und einzuschränken.
  • Redundancy
    Redundanz liegt in zwei Formen vor, Redundanz der Infrastrukturen und Redundanz der Entscheidungsstrukturen. Die Redundanz der Infrastrukturen sorgt dafür, dass Ausfall oder Überlastung eines (technischen, logistischen oder wirtschaftlichen) Systems durch andere kompensiert werden kann, die Redundanz der Entscheidungsstrukturen sorgt dafür, dass das Gleiche bei Ausfall oder Überlastung von entscheidungsbefugten Personen passiert.
  • Resourcefulness
    Auch der Erfindungs- und Einfallsreichtum manifestiert sich in zwei Bereichen. Zum einen müssen die Angehörigen einer Organisation über Qualifikation und Übung im Finden kreativer Lösungen verfügen, zum anderen (und das ist wichtig) müssen sie das auch nach kreativen Lösungen suchen dürfen ohne vorher um Erlaubnis fragen zu müssen. Ist das Zweite nicht gegeben bringt das Erste nicht viel Nutzen (oder erst wenn es zu spät ist).
  • Response
    Reaktionsvermögen ist hier so gemeint, dass Anpassungsmassnahmen schnell umgesetzt werden können. Dazu gehört zum einen die Fähigkeit zu schneller, direkter und unkomplizierter Kommunikation, zum anderen die Einbeziehung aller betroffenen Subsystemein Entscheidungs- und Umsetzungsschritte, um Abhängigkeiten und Flaschenhälse früh erkennen und beheben zu können. Auch hier ist der zweite Teil wichtig, da sonst die Gefahr besteht, dass sich im Schnellschuss für eine nur schwer (oder gar nicht) umzusetzende Idee entschieden wird.
  • Recovery
    Unter Erholung wird die (Wieder)Herstellung von Normalität verständen, auch hier unterteilt in zwei Unterbereiche, die ständige Überprüfung und die ständige Anpassung der Prozesse und Regelwerke. Wenn die Krisen- und Störungsauswirkungen zurückgehen führt diese Form des Inspect & Adapt dazu, dass sich nach und nach Arbeitsroutinen und Planungsstrukturen herausbilden auf denen dann die "neue Normalität" beruht.

Das Resilienz-Modell des Weltwirtschaftsforums muss jeweils für einzelne Anwendungsfälle ausdetailliert werden, geht also nicht auf deren Spezifika wie Lieferketten, Arbeitsreserven, angewandte Technologien, etc. ein. Dafür ist es universell anwendbar, also auf Unternehmen (und Teil-Unternehmen) genauso wie auf die staatliche Verwaltung, ganze Volkswirtschaften und sogar die Weltwirtschaft. Und das Beste daran: man kann es sogar im voraus nutzen um herauszufinden ob die eigene Organisation für die nächste Krise gerüstet ist oder nicht.

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