Vom Risiko, sich einem Guru anzuvertrauen
Bild: Wikimedia Commons / André Zehetbauer - CC BY-SA 2.0 |
Der Name mit dem sich das von jetzt an verdeutlichen lässt ist Jürgen Klinsmann. Seitdem er in den Jahren 2004 bis 2006 die deutsche Nationalmannschaft trainierte gilt er als jemand der alte Strukturen aufbrechen und mit neuen Ansätzen zum Erfolg kommen kann. Gleichzeitig gilt er seit seinen Engagements bei Bayern München (2008/2009) und Hertha BSC (2019/2020) aber auch als jemand der mit seinen Methoden seine Umgebung massiv überfordern und letztendlich sogar lähmen kann. Die verschiedenen Medienberichte nach seinen Amtszeiten lassen ein Bild erkennen in dem man Parallelen zu vielen anderen anfangs gefeierten und dann gescheiterten Change-Gurus wiederfindet.
Zu Beginn seiner beiden Amtszeiten stand jeweils etwas das eigentlich positiv ist, eine grosse Vision. Alles sollte moderner, besser und ganzheitlicher werden, und das nicht in irgendeiner Zukunft sondern möglichst schnell und radikal. Das Problem dabei war auch nicht diese Vision sondern das mit ihr kommunizierte Urteil über die jüngere Vergangenheit, der das genaue Gegenteil attestiert wurde. Nicht mehr zeitgemäss sei hier gearbeitet worden, unprofessionell und kleingeistig. Die Reaktion darauf war vorhersehbar: aus der Gruppe derer die ihre bisherige Leistung herabgewürdigt sahen gab es Widerstand.
Die Reaktion auf derartige Widerstände war dann nicht etwa, dass darauf eingegangen wurde, stattdessen wurden alle die die grosse Vision nicht vorbehaltlos zu ihrer machen wollten als störend und behindernd empfunden und von Klinsmann auf das Abstellgleis geschoben. Bei beiden Vereinen gab es gleich reihenweise Spieler und Angestellte die plötzlich ihren Stammplatz oder ihre Anstellung verloren. Auch das erzeugte vorhersehbare Reaktionen: Verunsicherung, passiven Widerstand und Rückzug auf weniger angreifbare Positionen. Ein stetiges Absinken von Stimmung und Leistungsfähigkeit war die Folge.
Statt diese Entwicklung als Anlass zu nehmen sich selbst zu hinterfragen wird aus beiden Vereinen über eine gegenteilige Reaktion Klinsmanns berichtet. Noch mehr Veränderungen, noch mehr Entscheidungsfreiheit und noch weniger Rücksprachen soll er eingefordert haben. Und als diese ihm (nachvollziehbarerweise) nicht gegeben wurden war das für ihn der Grund dafür, dass es nicht weiterging. Ein Projizieren aller Problemursachen nach aussen also, fast immer ein Indikator dafür, dass ein Veränderungs-Vorantreiber die Bodenhaftung verliert. In beiden Fällen folgte dann schnell das Ende.
So weit, so gut - die Moral von der Geschichte ist also, dass zu radikal und zu egozentrisch vorangetriebene Veränderungen scheitern müssen? Nun, ganz so einfach ist es auch nicht. Zum Gesamtbild gehören nämlich auch die beiden anderen Trainerstationen Klinsmanns, die bei den Nationalteams Deutschlands und der USA. Die Methoden waren hier ähnlich, die Resultate aber deutlich besser. In Deutschland gilt er als heimlicher Vater des späteren Weltmeistertitels, in Amerika konnte er die Kontinentalmeisterschaft gewinnen, in beiden Verbänden wird er als grosser Modernisierer anerkannt.
Die eigentliche Lehre die man aus dieser Fussball-Geschichte ziehen kann ist die: was an einem Ort geklappt hat muss keineswegs an einem anderen Ort genauso gut funktionieren, im Gegenteil. Es kann sogar sein, dass die Erfolgsmethode und der grosse Anführer die andernorts spektakuläre Erfolge hatten beim Versuch das zu wiederholen ein Trümmerfeld erzeugen. Statt sich einem vermeintlichen Guru anzuvertrauen ist es im Zweifel also besser nach einem eigenen Weg zu suchen. Das ist zwar weniger glamourös, dafür aber auch mit deutlich weniger Risiko behaftet.