Woran man erkennt, ob ein Unternehmen wirklich nutzerzentriert ist
Eine der Gemeinsamkeiten praktisch aller agil aufgestellten Organisationen ist die Nutzerzentrierung. Die Anforderungen sind aus der Sicht des Nutzers formuliert (🡒 User Stories), die schnelle Fertigstellung und Auslieferung neuer Features soll diese möglichst schnell zu ihm bringen, die Durchführung von Sprint Reviews. A/B-Tests, etc. soll sein Feedback möglichst schnell einsammeln. Was bei all dem aber zu bedenken ist - Anforderungstypen, Lieferzyklen und Meetingtypen sind nur Formalien, für das wirkliche Vorhandensein von Nutzerzentrierung können sie lediglich als Indikator dienen. Um festzustellen, ob die wirklich gegebem ist, gibt es aber einen anderen, bemerkenswert einfachen Weg: man muss sich nur ansehen, mit welcher Software eine Firma ihre eigenen Mitarbeiter arbeiten lässt.
Um zu verstehen warum das so ist, ein bisschen Kontext: es gibt heute keine Firma mehr, in der ohne Software gearbeitet werden kann. Oft findet die Arbeit direkt am Computer statt (z.B. in Banken und Verlagen), selbst wenn das nicht der Fall ist, finden aber begleitende Prozesse digital statt, von der Arbeitszeiterfassung über die Buchung von Dienstreisen und Fortbildungen bis hin zur Suche von Informationen im Intranet. Dafür ist zum Teil intern entwickelte Software im Einsatz, zum Teil auch solche, die eingekauft wurde.
Noch ein bisschen mehr Kontext: Nutzerzentrierung ist eine Haltung, die sämtliche Prozesse immer von eben dem Nutzer aus denkt. Er und seine Bedürfnisse stehen im Mittelpunkt, und zwar auch dann, wenn derjenige, der die Anwendung für ihn entwickelt, ein Monopolist ist, der Aussehen und Verhalten neuer Funktionen aufzwingen kann. Das heisst natürlich nicht, dass es nicht immer wieder Gründe geben kann, sich im Anwendungsdesign gegen die Wünsche des Nutzers zu entscheiden - nur sollte man dann so ehrlich sein und nicht mehr von Nutzerzentrierung sprechen.
In vielen Organisationen, die sich nach aussen nutzerzentriert geben, ist aber genau das der Normalfall. Da sich die eigenen Mitarbeiter nicht zur Wehr setzen können, indem sie zu anderen Produkten wechseln, wird ihnen zugemutet mit Software zu arbeiten, für die sich bei freier Auswahl niemand entscheiden würde. Umständlich und unintuitiv in der Bedienung, mit langsamen Lade- und Verarbeitungszeiten und hoffnungslos veraltetem Look & Feel ist sie in solchen Fällen ein laut und häufig verfluchtes Hassobjekt, das handfeste negative Folgen mit sich bringt. Zunächst sinkende Effizienz und Effektivität, aber auch sinkende Wertschätzung und Loyalität der Angestellten zum eigenen Unternehmen.
Umgekehrt kann moderne, einfach bedienbare, die Arbeit erleichternde und auf Basis von Feedback weiterentwickelte Software wesentlich dazu beitragen, dass das Verhältnis zwischen einem Unternehmen und seinen Angestellten ein gutes ist. Zum Einen weil die Mitarbeiter das Gefühl haben, dass ihnen für ihre Arbeit die richtigen Werkzeuge gegeben werden (und dass auch in diese investiert wird), zum Anderen weil sie sehen, dass ihre Rückmeldungen ernst- und angenommen werden.
Zuletzt kommt noch ein weiterer, nicht zu unterschätzender Aspekt dazu, der uns wieder zum Anfang dieses Artikels zurückbringt: die Mitarbeiter sehen, wie ernst ihre Firma die öffentlich propagierte Nutzerzentrierung wirklich meint. Wenn sie das Gefühl haben, dass diese auch tatsächlich im Unternehmen gelebt wird, ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass sie sich auch selbst entsprechend verhalten. Wenn sie umgekehrt den Eindruck bekommen, dass Nutzerzentrierung nur ein Selbstdarstellungs-Buzzword ist, wird auch das sich im eigenen Verhalten niederschlagen.
Am Ende ist es ein von vielen Unternehmen verkannter Zusammenhang - wer glaubt Nutzerzentrierung nur nach aussen leben, nach innen aber unterlassen zu können, riskiert, dass er sie in beiden Dimensionen verliert.