Montag, 10. Dezember 2018

Schläferzellen

Bild: Pexels / Burst - Lizenz
Es ist nur ein einziger Satz aus einem Bericht vom Peter Drucker Forum 2018, aber es lohnt sich länger über ihn nachzudenken. Er steht in einem Absatz in dem die immer stärker werdende Verbreitung von "Human-Centered Management" beschrieben wird und lautet "'Sleeper cells' of the new way of managing have sprung up in many more organizations." Aber was soll uns das sagen?

Zunächst zur Begrifflichkeit. Sleeper Cell (Schläferzelle) bezieht sich in diesem Zusammenhang auf eine Frühphase revolutionärer Bewegungen. Gruppen von Menschen kommen mit neuen, radikalen oder ungewöhnlichen Ideen in Berührung, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht anerkannt, nicht zulässig oder stigmatisiert sind. Bedingt dadurch erfolgt die Beschäftigung damit zunächst zurückgezogen im privaten oder informellen Raum.

Wenn die neuen Ideen schliesslich in der öffentlichen Diskussion oder sogar der Umsetzung ankommen werden die bis dahin ruhigen (schlafenden) Gruppen aktiv und sorgen dafür, dass (von aussen betrachtet) aus dem Nichts eine Unterstützerbasis entsteht auf die sich der entstandene Veränderungsprozess stützen kann. Beispiele dafür sind der Prager Frühling oder der Arabische Frühling1.

Auch im Rahmen von Management und Menschenführung kommen Schläferzellen vor, wenn auch mit einer sehr unterschiedlichen Dichte und Beteiligung, je nachdem um welche Denkrichtung es geht. Während prozess- und hierarchiezentrierte Ansätze von den potentiell Betroffenen eher skeptisch gesehen werden haben team- und menschenzentrierte Frameworks wie XP und Scrum aufgrund ihrer Soft Power-Faktoren eine sehr hohe Anziehungskraft.

Wenn eine Organisation sich dazu entschliesst es mit Agilität zu versuchen gibt es daher in der Regel den oben beschriebenen Effekt: scheinbar aus dem Nichts entstehen (vor allem in der IT) Gruppen die bereits Vorwissen mitbringen, sich an der Umsetzung und Gestaltung des Veränderungsprozesses beteiligen wollen und den Finger in die Wunde legen wenn er sich in die falsche Richtung entwickelt.

Für die Veränderung ist das ein doppelter Glücksfall. Zum einen ist sie von Beginn an in Teilen der Organisation verankert, wodurch sie eine ganz andere Wirkungskraft entfalten kann als ein rein von oben getriebenes Vorgehen. Zum anderen wird frei Haus eine Validierungsmöglichkeit geliefert. Ob es mit dem Veränderungswillen ernst gemeint ist kann man jetzt u.A. daran erkennen ob sich die "erwachten Schläfer" beteiligen dürfen oder nicht.

Und selbst wenn die Veränderungsbemühungen fehlschlagen oder sich festfahren sollten bleibt Positives zurück: die Zahl der Zellen die wieder zurück in den Schlafmodus gehen hatte die Chance deutlich zuzunehmen. Bei der nächsten Aktivierung ist der initiale Schwung dadurch nochmal grösser.


1Es gibt auch den Fall von destruktiven Schläferzellen, aber das wäre ein anderes Thema.

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