Freitag, 14. April 2017

Digitalisierung (II) - die agile Grossküche

Bild: Hans / Pixabay - Lizenz
Dass Digitalisierung eine der Voraussetzungen für eine gelungene Einführung von Scrum/Agile ist hatte ich bereits geschrieben, sie ist aber in den meisten Fällen auch unumgänglich wenn ich in einem agil operierenden Unternehmen Prozesse weiter optimieren möchte. Nehmen wir als Beispiel einen großen Münchner Restaurantbetrieb, etwa den in einem Bräuhaus1. Regen oder Staus können die Zahl der Gäste verringern, ankommende Touristenbusse dagegen schlagartig hochtreiben. Und je nachdem wer aus diesem Bus steigt (Rentner, Messebesucher, Schulklassen, Chinesen, Sportmannschaften) können die plötzlich in der Küche eintreffenden Bestellungen völlig andere sein. Eine Herausforderung an dieser Stelle ist: wie lassen sich die Kommunikationswege zwischen Bestellung aufnehmen (Kellnerin) und Mahlzeit zubereiten (Koch) möglichst beschleunigen, so dass die Gäste nicht zu lange warten müssen?

Zunächst durch eine Digitalisierung bestehender Prozesse. In den meisten Gastronomieen notiert die Kellnerin die Bestellung auf einem Zettel, geht zu einer Durchreiche in die Küche und gibt ihn einem Küchengehilfen, der ihn an die Köche weitergibt. Allein hier führt der Einsatz von Technik schon zu deutlicher Beschleunigung: wenn die Kellnerin die Bestellung in ein Handheld eingeben und an einen Drucker in die Küche mailen kann muss sie sich seltener durch den vollen Gastraum drängen, während gleichzeitig in der Küche die Probleme mit dem Entziffern unleserlicher oder verschmierter Schrift wegfallen. Aber das ist erst der Anfang.

In den meisten Großküchen müssen die verschiedenen Köche und Hilfskräfte von einem Küchenchef koordiniert werden. Es gibt verschiedene Spezialisten (z.B. für die Zubereitung von Fleischgerichten oder Nachtischen) die ihre Arbeit zeitlich aufeinander abgestimmt verrichten müssen. Nur so bekommt jeder Gast seinen jeweiligen Gang zum jeweils richtigen Zeitpunkt serviert. Mit dem digitalen Bestellungs-Input kann auch hier optimiert werden: wenn jeder Koch an der Wand vor sich einen Touch-Bildschirm hat kann er dort angeben, dass er gerade eine Zubereitung abgeschlossen hat, er bekommt direkt die nächste Besellung angezeigt und kann kurz darauf melden, dass er fertig ist und das Gericht abgeholt werden kann. Eine Koordination durch hektisches Durcheinanderschreien ist nicht mehr nötig.

Zur Schlusspointe: ein solches System kann nicht nur die Bestell- und Küchenprozesse agilisieren, es kann auch selbst agil erstellt werden. Zuerst Handhelds für die Kellnerinnen, dann ein "digitaler Leitstand" für den Küchenchef, zuletzt Computerprogramme die Verteilung und Timing der Zubereitungs-Aufgaben automatisiert durchführen - iterativ-inkrementelle Arbeit wie im Lehrbuch, mit der Möglichkeit zu ständigen Feedbackschleifen und Verbesserungen. Und wenn am Ende der Küchenchef seine Berufsbezeichnung zum CTO ändert ahnt man, zu welchen Umwälzungen die Digitalisierung führen kann.


1Ich bin mir nicht mehr sicher in welchem ich diese Einblicke bekommen habe, ich glaube aber, dass es das Weiße Bräuhaus war.

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