'Aber Sie müssen schon mal implementiert haben!'
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Anruf 1
"Guten Tag" schallt mir die Frauenstimme aus dem Hörer entgegen. Sie sei die Frau X von der Personalberatung Y und ich sei ihr aus ihrem Netzwerk empfohlen worden. Sehr interessante Informationen wären das, die sie über mich hätte. Ob ich an einem Projekt bei einer bekannten Firma aus meiner Region interessiert wäre? Ja? Wie schön! Sie würde meine Unterlagen sofort weiterreichen, nur eines wäre da noch - ich müsste belegen, dass ich schon einmal implementiert hätte. Okay, fragte ich, was genau sollte ich denn implementiert haben? Eine Software? Eine Methode? Etwas anderes? Hm, das könnte sie jetzt auch nicht sagen. Aber sie würde sich erkundigen und wieder melden.Anruf 2 (3 Tage später)
"Hallo", Frau X noch einmal, von der Personalberatung Y. Sie hätte jetzt nochmal mit ihrem Kunden gesprochen, über die Implementierungserfahrung. Ich müsste schon einmal Software implementiert haben, das wäre ganz, ganz wichtig für den. Kein Problem, sagte ich. Software-Projekte hätte ich schon einige hinter mir. Was für Referenzen sollte ich denn schicken - die vom Online-Shop? Vom Data Warehouse? Von der Banking-Anwendung? Vielleicht sicherheitshalber alle? Oh je, meinte Frau X, da würde ich sie jetzt auf dem falschen Fuß erwischen. Sie sei aber sicher, dass der Kunde sehr konkrete Vorstellungen hätte. Sie würde lieber nochmal nachfragen und sich bei mir zurückmelden.Anruf 3 (5 Tage später)
"Ich grüße Sie, noch einmal Frau X von der Personalberatung Y." Nach einem weiteren Gespräch mit dem Kunden hätte sie jetzt die Information. Die Leute dort wären langsam etwas ungeduldig und die Zeit würde ja auch drängen, aber die Anforderung wäre jetzt eindeutig: die Software bei deren Implementierung ich Erfahrung nachweisen müsste wäre Standardsoftware. Da würde großer Wert drauf gelegt. Aha, sagte ich, Standardsoftware also. Ob ihr denn bewusst wäre, dass das ein sehr allgemeiner Begriff ist? Aber egal, Erfahrung damit hätte ich. Shop, CMS, CRM, könnte ich alles belegen. "Aber so einfach ist es nicht!", durfte ich mir anhören. Der Kunde sei da wirklich speziell in seinen Anforderungen. Schon klar, meinte ich. Wie machen es wie gewohnt: Sie rufen da an und melden sich wieder.Anruf 4 (nochmal 4 Tage später)
"Guten Tag, ich bin es wieder, die Frau X." Nach einem letzten Gespräch mit dem Chef der Einkaufsabteilung des Kunden könnte man vermutlich doch auf den Nachweis einer Implementierungserfahrung verzichten, man habe da wohl aneinander vorbeigeredet. Ob ich denn möglichst schnell zu einem Gespräch dort erscheinen könnte? Ach, nicht mehr? Schon bei einem anderen Projekt zugesagt? Wie ärgerlich! Es wäre im Moment aber auch wie verhext auf dem Markt für IT-Fachkräfte. Keiner wäre zu bekommen, und es sei unerklärlich woran das wohl liegen könnte.Naja, ich hätte der jungen Dame vermutlich einige Gründe dafür nennen können, zumindest dafür, woran es in ihrem speziellen Fall liegt. Aber ich war in diesem Augenblick einfach nur noch sehr, sehr müde.