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Was ein ganzes Autorenkollektiv da für die Welt aufgeschrieben hat, zeigt die Negativseiten jener Ressource auf, auf der praktisch die ganze deutsche Wirtschaft aufbaut: der deutschen Ingenieursmentalität. Der ihr zugrundeliegende Perfektionismus hat dazu geführt, dass unsere Autos, Maschinen und Geräte zu den besten und sichersten der Welt gehören, verringert aber mittlerweile die Erfolgschancen vieler Unternehmen - statt Wert auf möglichst frühe Marktreife zu legen werden Produkte durch kleinteiligste und nicht hinterfragbare Anforderungen "kaputtentwickelt" oder kommen erst nach der Konkurrenz auf den Markt. Erschwerend kommt dazu, dass in diesem Perfektionismus ein nicht ganz abstreitbarer Größenwahnsinn steckt, der es sehr schwierig macht dagegen anzuargumentieren. Wohin das führen kann zeigt ein zweiter
Artikel aus der Süddeutschen Zeitung, der beschreibt, dass bei VW kritische Mitarbeiter einfach niedergeschrien wurden. Der vorgeschlagene Ausweg aus dieser Situation wären Entbürokratisierung und Enthierarchisierung bis zum Wegfall ganzer Managementebenen, womit auch gleich klar ist wer dagegen ankämpfen wird.
Ausgehend von einem ganz anderen Punkt (der Voratsdatenspeicherung) wird in diesem Artikel beschrieben wie der Planungsperfektionismus, an dem die (Groß)Wirtschaft leidet, überhaupt entstehen konnte. Lobo schlägt zur Erklärung den ganz großen Bogen zurück zur Epoche der Aufklärung von über 200 Jahren, in der man aufhörte an Götter und Zauber zu glauben und stattdessen die Ursachen fast aller Phänomene in Physik und Chemie entdeckte. Plötzlich ließ sich fast alles erklären, nachvollziehen und messen. Und in dieser Messbarkeit sieht Lobo die Wurzel für eine verhängnisvolle Fehlannahme:
"Wenn man alles messen kann, kann man die Realität komplett erfassen und deshalb alles vorhersagen." Derartige Ansichten habe ich bei verschiedenen Managern tatsächlich bereits erleben dürfen, meistens verbunden mit einem noch verhängnisvolleren Umkehrschluss:
"Wenn es sich nicht planen lässt, dann haben wir einfach noch nicht genug Daten erhoben." Diese Einstellung ist die Ursache für den Betonklotz aus Reportingpflichten, der gerade in scheiternden Projekten häufig an die Füße der Mitarbeiter gehängt wird und so auch die letzten Erfolgsaussichten vernichtet.
Aufzählen was alles schlecht läuft ist einfach, aber wie ginge Management heute besser? Sabine Bernecker-Bendixen macht sich die Mühe und trägt einige Gedanken zusammen. Grundlegende Ideen sind Vertrauen statt Kontrolle, Abkehr von der oben beschriebenen Zahlengläubigkeit, die Verlagerung von Verantwortung nach unten zu den Mitarbeitern, Förderung von deren Kompetenzen, die Entwicklung einer Teamkultur, Coaching statt Befehle geben, Bereitschaft zur Selbstkritik, Bereitschaft sich kritisieren zu lassen, Bereitschaft eigene Schwächen und Fehler einzugestehen und sie zu korrigieren sowie Abschaffung von Flaschenhälsen und Herrschaftswissen. Im Großen und Ganzen soll am Ende genau das entstehen was die Überschrift besagt: Leadership as a Service. Wer die klassische Unternehmenswelt kennt weiß - die Frau spricht von einer Revolution.
Apropos Revolution. Steve Denning von Forbes hat einen
sehr, sehr langen Fortune-Artikel von Geoff Colvin gelesen und darauf aufbauend einen sehr langen eigenen geschrieben. Wer beide liest bekommt erklärt, wie die (Business)Agilität zum Erfolg der
"21st-century corporations" beiträgt, die im Augenblick die Märkte revolutionieren: Skype, Apple, Tesla, Uber, AirBnB, etc. Zu ihren Erfolgsfaktoren zählt er neben einer neuen Art der Personalführung (siehe oben) auch die Bereitschaft, die Beziehungen zum Kunden neu zu definieren - statt ihn durch Werbung, Preise, etc. so zu manipulieren, dass er die angebotenen Produkte kauft, wird ergründet was er will und ihm dann das angeboten. Da Kunden aber häufig ihre Meinung über das was sie brauchen ändern, erfordert das hohe Reaktionsgeschwindigkeiten, also Agilität.
Mit erwartbarem Ergebnis.