Scrum Master oder Team Coach?
Bild: State Library of New South Wales - CC BY 4.0 |
Auch diese Geschichte können viele Scrum Master nämlich erzählen: Teams die sich von Beginn an gegen jede Form von agilen Frameworks gesträubt haben, sie nicht einmal ausprobieren oder diskutieren wollten. Gründe dafür gibt es viele - die Angst vor der Verantwortung (bzw. der damit verbundenen Mehrarbeit), die Sorge, für ausbleibende Erfolge verantwortlich gemacht zu werden, der im Hintergrund sein Unheil treibende Abteilungsleiter, dogmatischer Methodismus, schlechte Erfahrungen mit (angeblich) agilen Projekten, eine generelle Frustration und Desillusionierung durch jahrzehntelanges Leiden in kafkaesken Konzernstrukturen, etc., etc., etc. Die Liste ließe sich endlos erweitern. Das alles bedeutet zwar keineswegs, dass Agilität mit solchen Kollegen unmöglich ist - wenn ihnen langsam bewusst wird, dass die Ergebnisse besser werden, die Belastung abnimmt und dass ihnen keiner bei Fehlern den Kopf abreißt, dann kommt die Bereitschaft meistens auch bei ihnen auf1. Häufig muss aber zuerst eine initiale Verweigerungshaltung überwunden werden. Hier kann ein eher bestimmender Scrum Master sinnvoll sein. [Edit: mehr zu den Risiken die mit einem bestimmenden Scrum Master verbunden sind gibt es hier]
Man sollte nur wissen - wann ist welcher der beiden Typen (Scrum Master oder Team Coach) der Richtige für das Team? Ich glaube, dass sich diese Frage mit dem bekannten Scrum Master Reifegrad-Modell (Scrum Master Maturity Model) beantworten lässt, das folgendermassen aussieht:
Inspiriert von Angel Medinilla: Developing Scrum Masters |
Zugegeben, auf den ersten Blick hält sich der Erkenntnisgewinn in Grenzen. Der Team Coach wird gleichgesetzt mit dem Scrum Master der höchsten Stufe, für die niedrigste Stufe wird der Begriff des "Scrum Master-Imitators" hinzugefügt2, in der Mitte bleibt die Bezeichnung gleich. Es wird zwar genauer ausgeführt was er tut, aber nicht wann welches Verhalten sinnvoll ist. Was an dieser Stelle die entscheidende und noch fehlende Zusatzinformation ist, ist die, dass jeder Reifegradstufe eines Scrum Masters/Team Coach auch eine korrespondierende Stufe des Scrum Teams gegenübersteht. Wie oben gesagt - für eine agile Erfolgsgeschichte braucht es ein Team das Scrum vorantreiben will und auch weiß wie es geht. Umgekehrt werden unwissende und unwillige Teams es ihrem Scrum Master schwer machen zu höheren Stufen emporzusteigen. Ein aus dem Scrum Master Reifegrad-Modell abgeleitetes Scrum Team Reifegrad-Modell sähe demnach etwa so aus:
Inspiriert von Angel Medinilla: Developing Scrum Masters |
Letzteres wird übrigens nicht überall so gesehen, ich kenne auch (anerkannt gute) Scrum Practitioner die der Meinung sind, auch unreife und explizit unwillige Teammitglieder durch sanftes Coachen verbessern zu können. Aus meiner Erfahrung heraus habe ich daran allerdings starke Zweifel, lasse mich aber gerne durch Beispiele vom Gegenteil überzeugen. Der Vollständigkeit halber sei auch noch erwähnt, dass die Unterscheidung zwischen zurückhaltendem Team Coach und dominantem Scrum Master (noch) kein allgemeiner Sprachgebrauch ist, man findet durchaus auch abweichende Definitionen. Vom Gefühl her3 würde ich allerdings sagen, dass sich die hier vorgestellte Definition langsam verbreitet.
Nachtrag 27.04.2020:
Siehe auch: Scrum Master oder Team Coach? (revisited)
1Voraussetzung dafür ist natürlich, dass es sich nicht um totale Menschenfeinde handelt und dass sie in einem Unternehmen arbeiten das Agilität zulässt.
2Bisher noch nicht erwähnt, da es sich um keinen erstrebenswerten Status handelt.
3Ich weiß, keine Statistische Relevanz. Aber trotzdem.