Cynefin Framework
Grafik: Wikimedia Commons / Edwin Stoop - CC BY SA 4.0 |
Nachdem ich mittlerweile mehrfach gehört habe, dass das so genannte Cynefin Framework (oder Cynefin-Modell) das nächste große Ding im agilen Projektmanagement werden könnte glaube ich, dass sich ein näherer Blick darauf lohnt. Cynefin - was ist das und was soll das?
Zunächst: es ist kein Vorgehensmodell für die Produktentwicklung selbst. Vielmehr bietet es die Möglichkeit, anstehende Aufgaben, Probleme und Herausforderungen einzuordnen und auf dieser Basis zu entscheiden welche Vorgehensweise die beste ist. Die Einordnung erfolgt dabei in zwei Bereiche, die jeweils in zwei weitere Unterbereiche unterteilt sind. Ein fünfter Unterbereich steht zwischen ihnen in der Mitte. Den Unterbereichen sind verschiedene Handlungsempfehlungen zugeordnet:
- Chaotisch (Chaotic): Gehört zum ungeordneten Bereich. Beziehung zwischen Ursache und Wirkung bestehen, lassen sich aber nicht identifizieren. Die Handlungsempfehlung ist Handeln - Erkennen - Reagieren, das Ziel ist es, dabei Innovative Praktiken (novel practice) zu entdecken.
- Komplex (Complex): Gehört zum ungeordneten Bereich. Beziehung zwischen Ursache und Wirkung bestehen, können aber nur im Nachhinein wahrgenommen werden. Durch den Ansatz Ausprobieren - Erkennen - Reagieren können sich funktionierende Handlungsweisen herausbilden, die als Emergente Praktiken (emergent practice) bezeichnet werden.
- Kompliziert (Complicated): Gehört zum geordneten Bereich. Beziehungen zwischen Ursache und Wirkung existieren, allerdings benötigt man Experten- oder Fachwissen um sie zu erkennen. Vorgehen sollte man dabei nach der Reihenfoge Erkennen - Analysieren - Reagieren. Das angestrebte Ergebnis sind naheliegende, bzw. Gute Praktiken (good practice).
- Einfach (Simple, bzw. Obvious): Gehört zum geordneten Bereich. Ursache und Wirkung sind offensichtlich. Die Heransgehensweise ist hier Erkennen - Kategorisieren - Reagieren. Bewährte Praktiken (best practice) sind aus aus vergleichbaren Fällen bekannt und können übertragen werden.
- Unklar (Disorder): Gehört zu keinem Bereich. Hier werden Aufgaben und Probleme eingeordnet über die man zu wenig weiß um sie einem anderen Unterbereich zuzuordnen zu können.
Soviel zur Erläuterung, zurück zum Anfang: Cynefin ist kein Vorgehensmodell für die Software-Entwicklung. Vielmehr bietet es die Möglichkeit anstehende Aufgaben, Probleme und Herausforderungen in die gerade erläuterte Matrix einzuordnen und auf dieser Basis zu entscheiden welche Vorgehensweise die beste ist. Welche genau am Ende ausgewählt wird ist dabei bis zu einem gewissen Grad offen (und muss es auch sein, da generische Zuweisungen immer ein Fehlerrisiko darstellen). Eine mögliche Zuordnung wäre aber diese:
- Prototyping liegt bei chaotischen und komplexen Themen nah, vor allem dort wo man noch weitgehend im Nebel stochert. Mit anderen Worten: Trial an Error.
- Scrum eignet sich für komplexe und komplizierte Themen, da es Komplexität und Kompliziertheit durch das Herunterbrechen auf kleine und überschaubare Einheiten reduzieren kann.
- Kanban macht bei mäßig komplizierten und einfachen Themen Sinn, dort wo es darum geht Dinge "abzuarbeiten"
- Wasserfall ist das klassische Vorgehen bei einfachen Themen. Sobald diese Einfachheit nur scheinbar gegeben ist (was wesentlich häufiger der Fall ist als man denken sollte) tritt aber der erwähnte Rutschbahneffekt ins Chaos ein.
Soviel in aller Kürze. Eine Frage bleibt allerdings noch offen: Cynefin - was ist das überhaupt für ein Wort? Nun ja. Es ist walisisch, es wird in etwa "Kähniwwin" ausgesprochen und ist praktisch unübersetzbar. Eine naheliegende Beschreibung wäre die "gefühlte Zugehörigkeit". Dave Snowden, der Schöpfer von Cynefin, ist Waliser.