Agile Coach
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Um mit dem Naheliegendsten anzufangen: in den Ursprungs-Dokumenten der Agilität ist er nicht zu finden. Weder im Manifest für agile Softwareentwicklung von 2005 noch in den dahinterliegenden Prinzipien taucht irgendeine Rolle auf und auch Agile Coaching als Tätigkeit wird dort nicht erwähnt. Grundsätzlich scheint der Begriff des Agile Coach damals völlig unbekannt gewesen zu sein, wie man aus den Statistiken von Google Trends ablesen kann. Erst seit Herbst 2007 wird er in erkennenswertem Ausmass gesucht und erst seit ca. 2016 in grösserem Umfang.
Quelle: Google Trends |
Ein kurzer historischer Exkurs: die ursprüngliche Bedeutung von Coach ist "von Zugtieren gezogener Wagen" und leitet sich genau wie das deutsche Wort "Kutsche" von der ungarischen Stadt Kocs ab, dem ehemals wichtigsten Standort des europäischen Kutschen- und Wagenbaus. Basierend darauf wurde es im 19. Jahrhundert an der Universität von Oxford und später an anderen Hochschulen zu einem Slang-Ausdruck für einen Tutor oder Repetitor, also jemanden der einen "durch die Prüfungen zieht". Wiederum abgeleitet davon wurden Coach-Berufe in verschiedenen Arbeitsgebieten ehemaliger Studenten: im Sport, im Gesundheitswesen, in der Kunst oder in der persönlichen Weiterentwicklung.
Was alle diese Berufe gemeinsam haben ist die externe Positionierung des Coaches. Er ist kein Teil der von ihm betreuten Gruppe, Mannschaft oder Organisationseinheit, nimmt nicht an deren Tätigkeit teil und leitet sie nicht an. Er ist nicht verantwortlich für die Genehmigung oder Abnahme eines Arbeitsergebnisses, ist kein Arbeitgeber, Kunde oder Käufer. Genau wie die Tutoren und Repetitoren aus denen seine Rolle hervorgegangen ist bietet er Wissen, Hilfe und Unterstützung an, ob diese dann angenommen wird liegt dann bei den gecoachten Personen und Gruppen selbst.
Zurück zur agilen Arbeitswelt. Analog zu den anderen Coach-Berufen wird auch der Agile Coach normalerweise so verstanden, dass er ein externer, helfender Begleiter für Teams und Organisationen ist. Um noch einmal die Analogie zu Tutoren und Repetitoren zu nennen: genau wie diese den Studenten vermitteln was das nötige Prüfungswissen ist und wie man wissenschaftlich arbeitet, vermittelt der Agile Coach das Wissen um die agilen Frameworks und Prinzipien sowie das Verständnis von iterativem, incrementellem, datengetriebenem Arbeiten. Was seine Coachees daraus machen liegt dann bei ihnen.
Um das stärker zu konkretisieren: sowohl die Rollen-Ausprägungen als auch die Themengebiete lassen sich bei näherer Betrachtung auf (teilweise überlappende) Schwerpunkte verdichten. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit - bei den Rollen können das z.B. Trainer, Berater, Mentor oder Auditor sein, bei den Themengebieten Methodiken (XP, Scrum, etc), technische Praktiken (TDD, Microservices, etc), Skalierung (Scrum@Scale, Flight Level-Kanban, usw) und weitere (mehr dazu hier). Sowohl für Organisationen als auch für Agile Coaches selbst kann es hilfreich sein sich anhand dieser verschiedenen Dimensionen einen Überblick über den Coaching-Bedarf und das Coaching-Angebot zu verschaffen. Zum Beispiel so:
Beispiel für eine Matrix-Darstellung |
Was ausserdem bei derartigen Bestandsaufnahmen häufig auffällt ist, dass es in vielen Unternehmen bereits eine Rolle gibt die die meisten dieser Themen bereits abdeckt: die Tätigkeiten des Agile Coaches und des Scrum Masters können sich stark überschneiden, bis hin zur völligen Deckungsgleichheit. Warum das immer wieder so ist wäre nochmal ein eigenes Thema, zumindest ist es aber ein Phänomen mit dem man sich beschäftigen sollte wenn man einen Agile Coach sucht. Mit ein bisschen Glück wird sich herausstellen, dass er unter einem anderen Jobtitel schon längst da ist.