Montag, 16. März 2015

Denn sie wissen nicht, wen sie rekrutieren

Bild: Wikimedia Commons/Exodus Cry - CC BY-SA 3.0
Nach fast vier Jahren auf Projekten in Freiburg, München und Hannover kann ich mich zur Zeit über einen eher entspannten Job freuen und mache PMO-Tätigkeiten im Headoffice in Bonn. Zu den hier anfallenden Aufgaben gehört auch die Kontaktpflege zu verschiedenen Personalstellen, Headhuntern und Personalvermittlern, über die wir immer wieder Aufträge akquirieren können. Auffällig dabei ist, dass ich es dabei in erstaunlich vielen Fällen mit Personen zu tun habe, die nur eine rudimentäre Ahnung von den Qualifikationen haben, die zur Besetzung der von ihnen verantworteten Ausschreibungen notwendig sind. Alles was über den bloßen Text der Ausschreibung hinausgeht löst bei einigen dieser Leute Ratlosigkeit aus, zum Teil scheitert es bereits am Fachvokabular. Wie kann das sein?

Einen Anhaltspunkt bekommt man über die Xing- und LinkedIn-Profile der jeweiligen Personen, aus denen sich in den meisten Fällen Rückschlüsse über Studium und Ausbildung ziehen lassen: Es sind die Klassiker aus dem HR-Bereich - Personalmanagement, Psychologie, BWL mit Schwerpunkt Personal, Jura. Bei diesem Hintergrund kann man die oft fehlenden Kenntnisse des IT-Projektmanagements und seiner Erfordernisse nachvollziehen. Wirklich problematisch wird die Situation aber durch die Art, wie diese Wissenslücken gefüllt werden. Um ein wörtliches Zitat zu bringen: "Wir haben die Fachabteilung gebeten, uns alles aufzuschreiben, was wichtig sein könnte." Kann man so machen. Das Ergebnis ist dann allerdings, dass sich plötzlich alle "Nice to Haves" als harte Anforderungen in den Stellenprofilen wiederfinden.

So weit, so problematisch. Wenn diese Situation jetzt dazu führen würde, dass diese Stellen überqualifiziert besetzt werden, dann wäre das ja erstmal OK. Werden sie aber nicht. Stattdessen höre ich gerade von diesen Leuten, dass es nahezu unmöglich wäre "geeignete Kandidaten" zu finden, so dass Positionen z.T. über Monate hinweg nicht besetzt werden könnten. Kein Wunder - wer allen Ernstes nach einen Product Owner sucht, der jahrelange Branchenerfahrung hat, Scrum- und PMP-zertifiziert ist, Erfahrungen in Kanban und XP hat, auch Wasserfall kennt, mehrere Programmiersprachen beherrscht, fließend mehrsprachig ist, auf mehreren Großprojekten war und sowohl im Mobile- als auch im Datenbankbereich Erfahrungen gemacht hat, der wird einfach nicht so schnell fündig werden (wenn überhaupt).

Wenn aber solche Stellenausschreibungen erst mal draußen sind, sind sie nur schwer zu verschlanken, schließlich will man ja "keine Abstriche bei der Qualität machen". Und dass diese Abstriche nicht zu weniger Qualität führen würden lässt sich kaum glaubhaft vermitteln, wenn der Gesprächspartner von der Materie wenig Ahnung hat (siehe oben). Vermutlich wäre es ein lohnendes Geschäftsfeld, gegen Geld passende Stellenbeschreibungen für IT-Projekte zu verfassen. Gerade die, die diese Hilfe am dringendsten bräuchten, werden sie aber nicht annehmen, denn dann würden sie schließlich ihre eigene Existenzberechtigung in Frage stellen. Ein Teufelskreis.


PS:
Unabhängig davon, dass ich das was ich gerade geschrieben habe für ein Riesenproblem halte - natürlich gibt es viele fähige und erfahrene Personaler, die sehr gute Arbeit abliefern. Aber es sind viele. Nicht alle.

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